Die Proletarier aller Länder vereinigen sich nun doch noch. Zumindest in der italienischen Männermode für das kommende Jahr, wie sie sich bei den am Donnerstagabend zu Ende gegangenen Mailänder Männerdefilees Frühjahr/Sommer 2003 präsentierte. Overalls, Latzhosen im Mechaniker-Stil, tief dekolletierte T-Shirts und Hosen mit großen, aufgesetzten Taschen sowie dumpfe Farben legen nahe, dass nach dem Börsenfall der New Economy und in der wirtschaftlichen Flaute das Vertrauen in Manager und Banker schwindet, die einfache, traditionelle Arbeit wieder an Wert gewinnt.
Knitter, Leinen, Helligkeit
Auch der klassisch orientierte Bereich erlebt dadurch einen Wandel. Verpönt ist alles Glatte, die Stoffe liegen im Knitter. Mit Leinen und Baumwolle dominieren ehrliche, natürliche Materialien den Bereich um Anzug und Sakko. Safari-Elemente, wie etwa gegurtete Jacken, stoßen hinzu. Helligkeit bestimmt hier das optische Bild, angeführt von Weiß und seinen cremigen Nuancen.
Verbale Statements
Die Mode spricht auch wieder. Verbale Statements gehörten in das Programm einiger Kollektionen. Subtil und versteckt bei Gucci als Kurzslogan auf Schuhabsätzen. Oder rätselhaft wie bei der italienischen Marke New York Industrie, wo die griechischen Wörter ein paar Kollektionsteile weiter ihre englische Übersetzung fanden. Die lautesten Statements kamen jedoch Voyage.
Am schrillsten: Voyage
Ihren Ursprung hat das italienische Familienunternehmen in London, wo es einst mit einem exklusiven Shop Aufsehen erregte, der nur per Mitgliedsausweis zugänglich war. Mittlerweile öffnet sich Voyage und führte jetzt erstmals auch Männermode vor. Schrille Graffiti-Hosen mischen sich zu abgewetzten Armeejacken oder Hemden im Westernstil. Andere Drucke erinnern an Blutflecken, obszöne Motive wie blank gelegte Hinterteile kalkulieren den Schock. Die aufgedruckten Botschaften sind direkt: I only sleep with the best (Ich schlafe nur mit der besten) oder warnend: Stay single (Bleib allein).
Am Mittwochabend trafen dann zwei Giganten der amerikanischen Mode aufeinander. Calvin Klein und Ralph Lauren präsentierten sich erstmals gemeinsam in Mailand, ihre Shows folgten direkt aufeinander. Klein legte sein stets Basis-lastiges Farbspektrum auf. Ganze Outfits sind komplett schwarz oder weiß. Die Kollektion untermauerte die New Yorker Lässigkeit, mit der er berühmt wurde. Gut proportionierte einreihige Anzüge, dazu Hemd und Krawatte im Partnerlook und grobe Strickpullover zu Hosen mit aufgesetzten Taschen dominieren. Knitterstoffe und ein schwarzes Leder in Glanz-Optik bringen Variation in die Oberflächen.
Ralph Lauren aristokratisch
Ralph Lauren zeigt seit einem halben Jahr sein edles und fast schon aristokratisches Purple Label in Mailand. Hosen mit Bundfalten und am Rücken geschlitzte Sakkos führen zu weiten und fließenden Anzugformen. Gepunktete Krawatten über fein gestreiften Hemden, Uhrenketten in der Westentasche und Einstecktücher unterstreichen die konservative Eleganz. Jeans-Akzente und Marine brechen sie dann an einigen Stellen. In Schokoladenbraun kombiniert mit Cremeweiß gestaltet Lauren sein Smoking-Thema.
Moschino auf Safari
Auch andere Designer versuchten sich in neuen Interpretationen des Abendklassikers. Giftige und knallige Farben lassen die Modelle Moschinos in einem eher ironischen Licht erscheinen. Auch klassische Glenchecks bekommen kräftige Schattierungen. Ansonsten hält sich die italienische Marke ganz stark an das Safari-Thema.
Ferrés Nuancen: matt und warm
Gianfranco Ferré beendete sein Defilee am Donnerstag mit Smokings in matten, warmen Nuancen von Braun und Flieder. Anzug-Strenge lockert der Mailänder oft durch transparente Hemden oder verschiedene Polo-Varianten auf. Seine Hosen fallen butterweich, zuweilen mit feinen Streifendessins dekoriert. Die Organdy-Hemden wiederum werden Ton-in-Ton bestickt. Und auch Ferré hat die Safari-Jacke, die auf fast allen Mailänder Schauen auftauchte: gegurtet und mit vier aufgesetzten Taschen.
Von Axel Botur, dpa