Sat.1-Moderatorin Marlene Lufen hat auf Instagram ein Video veröffentlicht, das hohe Wellen schlägt. Die 50-Jährige setzt sich in dem Beitrag mit den Lockdown-Maßnahmen der Bundesregierung auseinander. Warum ich finde, dass Lufen wichtige Punkte anspricht.
Sat.1-Moderatorin Marlene Lufen hat auf ihrem Instagram-Account ein Video veröffentlicht, das für viele Diskussionen sorgt. In dem rund 14 Minuten langen Clip hinterfragt die 50-Jährige die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie. Sie sagt: "Ich habe das Gefühl, dass wir in zwei, drei Jahren zurück gucken auf diese Zeit und denken, wir haben es falsch gemacht. Dieser Lockdown war das Falscheste, was wir hätten machen können – zumindest über so einen langen Zeitraum."
Lufen findet, dass von der Politik viel zu starr auf Infiziertenzahlen und Sieben-Tages-Inzidenzen geschaut werde und andere Zahlen dabei komplett in Vergessenheit geraten: Nämlich die der Menschen, die unter den getroffenen Maßnahmen extrem leiden. In diesem Punkt stimme ich ihr voll und ganz zu.
Seit Beginn der Pandemie veröffentlicht das Robert-Koch-Institut (RKI) unter Berufung auf die Gesundheitsämter täglich die Zahl der Menschen, die sich neu mit dem Coronavirus infiziert haben. Das gleiche gilt für die Anzahl der Menschen, die im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben sind. Es ist eine Agenda, die jeder auf der Homepage des RKI einsehen kann. Viele andere Daten sind nicht so präsent.
Die Zahl der Kinder, die zu Hause vernachlässigt oder gar Opfer von Missbrauch werden. Die Zahl der Frauen, die häusliche Gewalt erleiden. Die Zahl der Depressiven, die nicht die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Die Zahl der Suchtkranken, die ihre Probleme allein nicht bewältigen können. Die Zahl der Alten, die einsam und allein zu Hause oder in einem Heim sitzen. Die Zahl der Existenzen, die vernichtet werden, weil Jobs abgebaut werden oder ganze Branchen wegbrechen.
Corona verschärft die Probleme in vielen Fällen
Das alles gab es auch schon vor Corona. Aber das dauerhafte Isoliertsein ohne soziale Kontakte, die fehlenden Kontrollen durch Pädagogen, Ärzte oder Therapeuten, das Zusammengepferchtsein in zum Teil beengten Wohnungen, eine nicht vorhandene Perspektive – das alles verschärft die Probleme in vielen Fällen.
"Die Pandemie wird einen Einschlag hinterlassen! Was das bedeutet, was jetzt passiert, können wir noch gar nicht überblicken", sagte Wolfgang Kölfen, Vizepräsident der Kinder- und Jugendärzte dem "Spiegel". Und er bezog sich dabei nur auf die Nöte und Sorgen der Kinder und Jugendlichen. Michael Tsokos, Leiter des Institut für Rechtsmedizin der Charité spricht in einem Paper von "Corona-Suiziden". Todesfälle, "in denen die Corona-Pandemie als auslösend oder zumindest mit-auslösend für die suizidale Tat gewertet wurde." Diese Fälle gibt es und sie können nicht einfach ignoriert werden.
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Lufen hat ebenfalls mit Experten und Fachkräften gesprochen und zieht folgendes Fazit: "Alle haben mir gesagt, für unsere Patienten ist die Situation eine Katastrophe, aber das wird zu wenig gesehen." Die 50-Jährige hat nur versucht, diese Menschen wieder stärker in den Fokus zu rücken, um zu erinnern: Uns und unsere Probleme gibt es auch noch und wir sind vielleicht nicht so wenige wie ihr denken mögt. Wir wollen wahr- und ernstgenommen werden.
Marlene Lufen distanziert sich von Corona-Leugnern
Mehr hat Lufen nicht mit ihrem Video bezwecken wollen. Sie hat weder gefordert, den Lockdown sofort zu beenden noch die aktuelle Coronalage verharmlost. Dass sich die AfD-Fraktion von NRW jetzt Lufens Aussagen zu nutzen macht, ist schändlich. Die Moderatorin hat sich ausdrücklich von Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern distanziert.
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Lufen hat all jenen eine Stimme gegeben, die selbst nicht für ein lautes Echo sorgen können: Kinder und Jugendliche, Opfer von Gewalt und Missbrauch, Depressive und Suchtkranke, um nur einige zu nennen. Sie alle und ihre Bedürfnisse sollten in dieser Pandemie nicht vergessen werden.
Ich gebe zu, dass Lufen zum Schluss ihres Videos übers Ziel hinausgeschossen ist. Sie hat gesagt: "Jedes Mal, wenn jetzt jemand sagt, wir müssen die Zähne zusammenbeißen, dann ist es auch durchgestanden mit der Pandemie, hat irgendein Kind zu Hause die Faust seines Vaters im Gesicht, wird eine Frau geschlagen, überlegt irgendein Jugendlicher in psychischer Not, ob er sich vielleicht von der Brücke stürzt." Das ist extrem zugespitzt formuliert, aber für viele Betroffene geht es nicht nur darum durchzuhalten oder die Zähne zusammenzubeißen. Es geht darum, erstmal den nächsten Tag zu schaffen.