Flucht nach vorne: Sie tritt auf einer Aids-Gala in Mailand auf, spricht mit Magazinen über ihre Krankheit, gibt Interviews im Fernsehen. Nachdem Nadja Benaissa vor einem halben Jahr in einer Frankfurter Disco wegen Körperverletzung festgenommen wurde, verfolgt sie jetzt die Mission, aufzuklären. "Ich will Aids aus der Schmuddelecke holen", sagte sie in einem Interview mit der "Bild am Sonntag". Darin spricht sie über jahrelange Stigmatisierungen, die Ansteckung mit dem lebensbedrohlichen Virus, den Schock nach der Diagnose, Erpressungen, Hänseleien gegenüber ihrer Tochter und der Zeit in Haft.
"Ich war eben jung und hatte Sex ohne Kondome. Wie so viele. Man denkt eben - nein, das passiert mir nicht", sagt die No-Angels-Sängerin. Bis zur Verhaftung im April war ihre HIV-Infektion nicht öffentlich bekannt gewesen. Erst als ein angeblicher ehemaliger Liebhaber von ihr sie angezeigt hatte, ihn vorsätzlich beim Geschlechtsverkehr angesteckt zu haben, kam es zum Zwangsouting. Ohne Respekt der Intimsphäre hatte die Staatsanwaltschaft Details bekannt gegeben und damit eine Medienlawine ausgelöst. Sie habe sich ungerecht behandelt gefühlt bei der Verhaftung, so Benaissa.
Viel Ablehnung von Liebhabern
Durch die Heimlichkeit wurde Benaissa Opfer von "Erpressungen ohne Ende und Druck". "Das war die Hölle", so die 27-Jährige Sängerin. Nach eigener Aussage wussten alle späteren Liebhaber, dass sie HIV-positiv sei, ihre Partner hätten sich darauf eingestellt. Sie habe drei feste Beziehung nach der Diagnose gehabt, aber auch "viel Ablehnung erfahren".
Von der Ansteckung habe sie nach einer Routineuntersuchung erfahren. "Und dann war ich total geflashed, stand erst einmal unter Schock." Noch acht Jahre Leben, lautete die Prognose. Sie habe sich Experten gesucht, seitdem lebe sie ihr Leben bewusster. Sie wisse, wer sie angesteckt habe, mit diesem Menschen habe sie aber schon lange nicht mehr zu tun. "Für Schuldzuweisungen ist es zu spät", sagt Benaissa. Kondome habe sie eigentlich immer benutzt. "Es gab wirklich nur ein bis zwei Ausnahmen und genau dann ist es passiert."
Dank der Medikamente fühle sie sich topfit, ihr Gesundheitszustand sei gleichbleibend stabil, obwohl sie bereits seit Jahren infiziert ist. "Ich fühle mich schon wie ein Versuchskaninchen, denn man nimmt auch Mittel, die noch nicht getestet wurden." Am meisten würde sie darunter leiden, dass sie ihre neunjährige Tochter vor Hänseleien nicht schützen könne: "Die Kids in der Schule rufen ihr 'Aids' oder 'HIV-positiv' hinterher", so die No-Angels-Sängerin.
Über den genauen Zeitpunkt und die Umstände der Ansteckung dürfe sie aber nicht sprechen. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt hat das Verfahren noch nicht abgeschlossen.