No-Angels-Sängerin Nadja in Haft Wer andere infiziert, macht sich strafbar

Weil sie einen Mann beim Geschlechtsverkehr wissentlich mit HIV infiziert haben soll, ist No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa verhaftet worden. In der deutschen Rechtsprechung kein Einzelfall. Die Strafverfolgung von HIV-Positiven ist jedoch umstritten.

"Ich habe Aids" steht in großen Buchstaben unter einem Foto der No-Angels-Sängerin Lucy Diakowska. In klein darunter: "…nicht vergessen." Mit den provokanten Plakaten macht sich die 33-Jährige derzeit für eine Anti-Aids-Kampagne des Regenbogen e.V. stark. Mitten in diese Aktion platzt jetzt die Nachricht von der Festnahme ihrer Band-Kollegin: Nadja Benaissa soll trotz ihrer HIV-Infektion mit mehreren Männern ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt haben.

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt wirft Benaissa vor, in den Jahren 2004 und 2006 mit drei Männern ohne Schutz geschlafen zu haben. Einer der drei sei inzwischen ebenfalls HIV-positiv, vermutlich infolge des Verkehrs mit der Sängerin, und hat jetzt Anzeige gegen Benaissa wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft stern.de bestätigte. Die 26-Jährige wurde am Samstag in Frankfurt am Main vor einem Auftritt in einer Diskothek verhaftet und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Strafverfolgung kein Einzelfall

Bei einer Verurteilung droht Benaissa, die alleinerziehende Mutter einer neunjährigen Tochter ist, eine mehrjährige Haftstrafe. "Wer als HIV-Positiver ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem anderen hat, macht sich strafbar", erklärt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Christian Mauritz. Voraussetzung sei jedoch, dass der Betreffende von seiner eigenen HIV-Infektion weiß. "Dann kommt der Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach Paragraph 224 des Strafgesetzbuches in Betracht, auf den eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren steht", sagt Mauritz.

Die Strafverfolgung von HIV-Positiven, die ihre Partner wissentlich infizieren, ist kein Einzelfall. "Haftstrafe für Sex ohne Kondom" titelte die "Süddeutsche Zeitung" am 18. Januar 2007 über den Ausgang eines Prozesses gegen einen HIV-Positiven. Der Mann wurde vom Landgericht Würzburg wegen versuchter und gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er zwei seiner Ex-Freundinnen mit dem HI-Virus infiziert hatte. In Köln wurde im Juni 2007 ein Mann in einem ähnlich gelagerten Fall sogar zu acht Jahren Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt.

Verband kritisiert Kriminalisierung von HIV-Positiven

Die geltende Rechtsprechung ist nicht unumstritten. Der Verband Pro Familia, der sich unter anderem auf Sexualberatung spezialisiert hat, warnt vor einer Kriminalisierung von HIV-Positiven. "Es besteht die Gefahr, dass Menschen, um dieser drohenden Strafverfolgung zu entgehen, immer häufiger auf freiwillige HIV-Tests verzichten, also nicht wissen wollen, ob sie HIV positiv sind", erklärt Pro Familia. Somit werde der Virus nicht eingedämmt, sondern der Nährboden für kontinuierliche und schnelle Ausbreitung von HIV geschaffen.

"Wer nichts von seiner HIV-Infektion weiß, kann sich nicht der gefährlichen Körperverletzung strafbar machen", bestätigt Rechtsanwalt Mauritz. In der Praxis bedeute dies, dass jeder, der sich mit HIV infiziert hat und dies weiß, seinen Sexualpartner durch die Anwendung von Kondomen schützen oder ihn von der Infektion in Kenntnis setzen müsse. "Weiß der Partner von der Infektion und stimmt ungeschütztem Sex trotzdem zu, kann dies als eigenverantwortliche Selbstgefährdung gewertet werden und die Strafbarkeit entfallen lassen", sagt Mauritz.

Ob Nadja Benaissa zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs von ihrer HIV-Infektion wusste, ist bisher unklar. Ihr Management war mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht zu einer Stellungnahme bereit. "Manche Infizierten merken bis zu zehn Jahre lang nichts von der Infektion", sagt Michael Rack von der Aidshilfe Hamburg. Es wird im Verfahren somit darauf ankommen, ob Benaissa einen HIV-Test gemacht hat oder nicht.

Ebenso unklar ist, ob sich die betroffene Person tatsächlich bei Benaissa oder bei jemand anders angesteckt hat. "Das zu beweisen könnte schwierig werden", sagt Rechtsanwalt Mauritz. "Das muss eindeutig feststehen". Auf stern.de-Nachfrage erklärte hingegen der Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt, dass der Beweis inzwischen medizinisch möglich sein. Es genügt, den HIV-Typus miteinander zu vergleichen.

Kritik an Untersuchungshaft

Benaissas Anwälte unternehmen derzeit alles, um ihrer Mandantin zumindest den Verbleib in der Untersuchungshaft zu ersparen. Der Haftrichter hatte diese wegen Wiederholungsgefahr angeordnet. "Wir sind der Auffassung, dass der Haftbefehl ein Übermaß darstellt", erklären die Anwälte. Auch Rechtsanwalt Mauritz nennt die U-Haft "an den Haaren herbeigezogen". "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Haftbefehl aufrecht erhalten bleibt, schon gar nicht bis zur Klärung des Sachverhalts in einem Prozess", sagt der Strafverteidiger.

Benaissa kann somit auf eine baldige Entlassung aus der U-Haft hoffen. Ob sie nach dem Skandal jemals wieder gemeinsam mit den No Angels auf der Bühne stehen wird, ist allerdings fraglich. In Internet-Foren sprechen Nadja-Fans jedenfalls von einer "Rufmord"-Kampagne gegen ihren Star. Und auch wenn ihre Anwälte rechtlich gegen die Staatsanwaltschaft vorgehen wollen, irgendwas wird wohl hängen bleiben.

Mitarbeit: Lea Wolz

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