Die Einladung zur Pressekonferenz ins edle Beverly Wilshire Hotel in Beverly Hills las sich wie ein Spendenaufruf zum Welthungertag. "Treffen Sie Avons erste globale Botschafterin", stand in der E-Mail als große Schlagzeile. Und gleich weiter: "Avon kann heute verkünden, Reese Witherspoon als 'Honorary Chairman' der Avon Foundation gewonnen zu haben. Sie wird als Vorreiterin den Kampf gegen Brustkrebs, Gewalt in der Familie und Einsätze von Spendengütern in Krisengebieten überblicken."
Hörte sich vielversprechend an. Endlich ein Termin, bei dem ein Promi mal nicht nur an sich, sondern auch an andere denkt. Die Oscar-Gewinnerin ("Walk the Line") und zweifache alleinerziehende Mutter versucht wohl jetzt in die Fußstapfen von Angelina Jolie, George Clooney oder Sean Penn zu treten. So zumindest wirkte die Einladung auf den neutralen Betrachter. Im Hotel dann aber kam alles ganz anders.
TV-Kameras en masse, Avon-Manager mit kleinen Sofortbildkameras inmitten der schreibenden Zunft. Eine großgewachsene Frau in einem knallroten Kleid am Mikrofon: Andrea Jung, Geschäftsführerin von Avon, laut Forbes, eine der 50 mächtigsten Managerinnen der Welt. Sie erzählt. Von ihrem "tiefen Glauben, die Lebensqualität von Frauen zu verbessern". Von der "Quelle der Inspiration" erstmals eine "globale Botschafterin" anzuheuern. Sie erwähnt die "Avon Foundation", die es seit 1955 gibt und das deren Ziele - den Brustkrebs zu bekämpfen, die Gewalt gegen Frauen im Alltag zu reduzieren und in Notaufnahmelagern zu helfen - bei allen fünf Millionen Avon-Beraterinnen auf dem gesamten Globus schon seit langer Zeit auf große Resonanz treffen.
Dann, fast in einem Nebensatz, der wahre Grund für die heutige Pressekonferenz. Neben diesen globalen Mammutanforderungen soll Frau Witherspoon natürlich freilich auch für Avon werben. Lippenstift, Puder, Nagellack. Printkampagnen, Fernseh-Werbung. Nur von Tür zu Tür muss die Witherspoon nicht latschen. Das überlässt sie den fünf Millionen anderen Damen. Über die finanzielle Seite dieses Megadeals wird geflissentlich geschwiegen. Das hat niemanden zu interessieren. Dafür redet Reese, sie steht jetzt im weissen Kostümchen unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen am Mikrofon, darüber, dass sie "unheimlich aufgeregt ist, mit Avon zusammenarbeiten zu dürfen." Kann sie sich doch noch gut daran erinnern, wie die "Avon Lady" bei ihnen zuhause auf dem Sofa saß. Jetzt ist sie selbst eine, die liebe Reese.
Und dann gehts gleich weiter mit der Weltverbesserung. Sei Avon doch eine Firma, die "in der ganzen Welt dafür bekannt ist, sich für Frauen und deren Probleme einzusetzen." Und ganz besonders beeindruckt, so Reese, sei sie davon, wie sehr "Avon den Gemeinden, in denen denen das Unternehmen Geschäfte betreibt, positive Veränderungen herbeigebracht hätte". Das hört sich wie auswendig gelernt an. Das Avon-Management in den ersten Reihen nickt fleißig und knipst Bilder von der Chefin mit dem Hollywood-Star. Schließlich kommt es noch ganz dicke. Praktisch das kosmetische Crescendo in Beverly Hills: "Eine große persönliche Verantwortung" spüre Frau Witherspoon, so sagt sie mit fester Stimme selbst, "etwas an die Gesellschaft zurückzugeben." Jetzt, als Avon-Beraterin mit Millionenvertag in der Tasche dürfte das der lieben Reese sicherlich noch ein bisschen leichter fallen.