Was macht eigentlich... die Kanzler-Cousinen?

Inge Siegel und Heidi Munkewitz aus Thüringen sorgten 2001 für Schlagzeilen - als bis dahin verschollene Ostverwandtschaft von Gerhard Schröder

Wann haben Sie Ihren Cousin zuletzt gesehen?

Inge: Persönlich? Seit der Wahl 2002 nicht mehr. Aber dafür im Fernsehen fast täglich. Dann rufen wir beide uns oft an und werten seine Auftritte aus.

Auch mit ihm zusammen?

Heidi:

Nein, nur wir zwei, unter uns. Wir schimpfen dann, wenn sein Schlips nicht gerade sitzt. Oder: Was iss'n das für'n Anzug?! Als gelernte Verkäuferinnen sind wir ja vom Fach und wissen, wie man etwas verkauft - auch sich selbst.

Inge:

Vor allem erkennen wir wirklich in vielen seiner Gesten unseren Vater wieder, seinen Onkel. Wenn er sich mit der Hand durchs Haar fährt zum Beispiel. Ein wenig eitel sind die Schröders ja alle.

War das Wiedersehen damals auch nur Verkaufe - Wahlkampf im Osten?

Heidi:

Nein. Das wäre dann doch zu billig. Wir waren ja alle überrascht und wussten vorher nichts voneinander. Trotzdem war gleich eine unheimliche Vertrautheit da. Wir haben viel gelacht, und für uns war der Rummel mit Talkshows natürlich auch mal was anderes.

Gibt es noch Kontakt?

Inge:

Klar, Glückwünsche zu Geburtstagen oder eine Karte zu Weihnachten. Manchmal schreibt er sogar persönlich ein paar Zeilen zurück. Das dauert natürlich immer, weil die Post übers Kanzleramt geht, durch die Zensur sozusagen. Aber seine Schwester Gundi, die ja alles ins Rollen gebracht hat, besucht uns zweimal im Jahr. Er selbst ist ja ohnehin so gut wie nie zu Hause.

Heidi:

Außerdem hat er dafür sicher keine Zeit. Wir eigentlich auch nicht. Als Rentner hat man mit Enkeln und Garten ein volles Programm.

Was haben Sie gedacht, als er im vergangenen Jahr per Adoption für Familienzuwachs sorgte?

Heidi:

Na, der hat Nerven! Und natürlich eine junge Frau.

Inge:

Ich dachte: auf jeden Fall Respekt! Er ist ja nur ein halbes Jahr jünger als ich, die dreifache Oma. Meine Enkel sind fast erwachsen. Hoffentlich schafft er das noch lange. Aber Politiker werden ja alle ziemlich alt, habe ich festgestellt, wahrscheinlich wegen der guten ärztlichen Versorgung.

Zur Person

Inge Siegel und Heidi Munkewitz sind die Töchter von Kurt Schröder, einem Bruder von Gerhard Schröders Vater Fritz. Sie arbeiteten beide als Verkäuferinnen, jede zog drei Kinder groß. Heute sind sie in Rente, leben in Eisenach und Lauchröden, einem 1000-Seelen-Ort an der ehemaligen Zonengrenze. Erst lange nach der Wiedervereinigung hatten sie von der verschollenen Westverwandtschaft erfahren - und dass Kanzler Schröder ihr Cousin ist.

Im Grunde hatten Sie, Frau Siegel, ja sogar den gleichen Arbeitgeber.

Inge: Das stimmt. Wenn man so will, waren wir Kollegen - beide beim Bund. Als mich das Finanzamt vor drei Jahren aus dem Job mobbte, hat er sogar persönlich angerufen und gefragt, ob er helfen kann. Da habe ich mich sehr gefreut, weil es mir wirklich schlecht ging. Aber eine Extrawurst wollte ich auch nicht.

Werden Sie deshalb oft angesprochen?

Inge:

Ja, aber nur nett. Viele gucken auch, als wüssten sie nicht, wo sie uns hintun sollen. Bekannte sagen manchmal auch: Ruf doch mal an in Berlin, so geht das nicht weiter!

Heidi:

Aber da müssten wir ja den ganzen Tag telefonieren. Da schimpfe ich lieber selber mit: über Nullrunden bei der Rente oder dass sich die Chefs der Krankenkassen mit unserem Geld die Taschen voll machen.

Hat sich Ihr Wahlverhalten geändert?

Heidi:

Nein. Es sind die gleichen drei Buchstaben geblieben.

In Thüringen sicher CDU oder PDS?

Heidi:

Dazu sage ich nichts! Aber bei einer können Sie die Buchstaben umstellen, dann wird ein Schuh draus.

Inge:

Bei den anderen wäre es sicher auch nicht besser. Außerdem können wir ja nichts für seine Politik.

Heidi:

So wie er nichts für seine Verwandtschaft kann.

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Holger Witzel

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