Im Sommer vor fünf Jahren wurde der Bundeswehrgeneral zum Volkshelden - mit Hilfe von 30.000 Soldaten und Zivilisten verhinderte er die Katastrophe am Oderbruch.
Zur Person:
Hans Peter von Kirchbach lebt in Potsdam. Bis zum Juni 2000 war der heute 60-Jährige ranghöchster deutscher Soldat und sicherheitspolitischer Berater der Bundesregierung. Nach einem Zerwürfnis mit dem damailgen Verteidigungsminister Scharping - es ging um die Bundeswehrreform - bat von Kirchbach um die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand.
Herr von Kirchbach, die Überschwemmung
des Oderbruchs hat Sie zum Volkshelden gemacht. Werden Sie heute noch als »Held vom Oderbruch« erkannt?
Ich werde selten angesprochen. Aber wenn, fragen mich die Leute: Sind Sie nicht der von der Oder? Und ich werde noch heute von einigen Gemeinden an der Oder eingeladen. Und das freut mich natürlich.
Die Lage am Oderbruch erschien damals aussichtslos. Aber Sie wollten nicht aufgeben.
Das ist eine Lebensmaxime von mir. Man gibt erst auf, wenn eine Sache verloren ist. Solange es die kleinste Chance gibt, muss man kämpfen. Optimistische Experten meinten damals, die Chance wäre fünf Prozent, den Deich zu retten. Das ist besser als null, dachte ich.
Was macht ein General im Ruhestand? Sie sind nicht verheiratet, haben keine Kinder oder Enkelkinder, um die sie sich kümmern könnten.
Ich beschäftige mich trotzdem mit jungen Leuten. Die brandenburgische Landesregierung hat mich gefragt, ob ich Botschafter für den Landespräventionsrat gegen rechte Gewalt werden will. Das werde ich machen, und darauf freue ich mich. Ich will mithelfen zu verhindern, dass junge Leute auf die schiefe Bahn geraten. Darüber hinaus bin ich Präsident der Johanniter-Unfallhilfe, halte Vorträge vor Soldaten. Außerdem schreibe ich gerade ein Buch.
Noch eins über das Oderbruch?
Nein, nein. Ich will meine 40-jährige Dienstzeit Revue passieren lassen. Erzählen, wie ich als Fahnenjunker den Mauerbau erlebt habe, als Leutnant den Kalten Krieg, als Oberst den Abriss der Mauer und als Generalinspekteur den Kosovo-krieg.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA ist die alte Debatte darüber neu entbrannt, ob Bundeswehrsoldaten Verbrecher jagen sollten oder nicht. Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, versteht gar nicht, welche Argumente dagegen sprechen könnten. Stimmen Sie ihm zu?
Nein. Ich bin grundsätzlich dafür, dass die Polizei die Verantwortung für die innere Sicherheit hat und die Bundeswehr die Verantwortung für die äußere Sicherheit behält. Mitunter sind die Grenzen aber fließend. Deshalb muss man die Möglichkeit einer intensiveren Zusammenarbeit prüfen.
Ist die Bundeswehr mit ihren Auslandseinsätzen überfordert? Kritiker meinen, sie hätte zu wenig Erfahrung.
Die Bundeswehr kann bei internationalen Einsätzen gut mithalten. Sie zeigt ja jetzt, dass sie eine Reihe von Fähigkeiten hat, die von der Nato genutzt werden können. Aber es besteht natürlich kein Zweifel daran, dass die Bundeswehr seit Jahren dramatisch unterfinanziert ist. Die Gerätschaften sind zum Teil sehr veraltet. So hat die Bundeswehr Lkws, die älter sind als ihre Fahrer. Das ist natürlich kein Zustand.
Sie haben mal gesagt, Sie würden als Pensionär im Frühjahr gern in der Provence, im Winter lieber im Allgäu wohnen. Was ist daraus geworden?
Ich fahre jetzt tatsächlich im Frühjahr regelmäßig in die Provence, und im Winter bin ich zum Skifahren im Allgäu. Ich bin ganz froh darüber, dass ich mehr Zeit zum Lesen und Wandern habe und nicht mehr so im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehe.
Interview: Kerstin Schneider