was-macht-eigentlich Wang Dan

Der Pekinger Geschichtsstudent führte die Protestbewegung an, die Chinas Führung am 4. Juni 1989 mit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens niederschlug.

Der Pekinger Geschichtsstudent führte die Protestbewegung an, die Chinas Führung am 4. Juni 1989 mit dem MASSAKER auf dem Platz des Himmlischen Friedens niederschlugZur Person :

Nach der Niederschlagung der Studentenproteste am 4. Juni 1989 - bei dem Blutbad starben mehrere hundert Menschen - stand Wang an der Spitze der Fahndungsliste. Er wurde gefasst, verbrachte fast sieben Jahre in chinesischen Gefängnissen und wurde 1998 in die USA abgeschoben. Bei einer Gedenkveranstaltung für die Toten von 1989 sagte Wang: »Sie werden unsere Stimme niemals zum Verstummen bringen.«

Quält Sie die Erinnerung an die Toten des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens?

Ich denke oft an die Tragödie. Sie ist so lange nicht zu Ende, wie die chinesische Regierung unseren friedlichen Protest als »konterrevolutionäre Rebellion« bewertet.

Gibt es eine Neubewertung?

Sicher, ich bezweifle allerdings, dass dies eine Regierung unter Führung der Kommunistischen Partei tut. Dazu fehlt den Kommunisten der Mut. Aber sie werden nicht mehr lange an der Macht bleiben.

Soll der heutige Parlamentspräsident Li Peng, damals als Premierminister einer der Hauptschuldigen für das Blutvergießen, vor Gericht?

Selbstverständlich müssen einige Politiker juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Wem weshalb der Prozess gemacht wird, soll ein Sondergericht entscheiden, das später in China errichtet werden müsste.

Sind die kürzlich in den Westen geschmuggelten Geheimdokumente der Pekinger Führung von 1989 echt oder gefälscht?

Um dies beantworten zu können, müssen wir warten, bis wir die Originale einsehen können.

Wegen Korruption und überhoher Steuern wächst die Unzufriedenheit der 807 Millionen Bauern. Millionen Arbeiter in den maroden Staatsbetrieben fürchten die Entlassung. Kann sich der Aufstand von 1989 heute wiederholen?

Politische Unruhen sind wahrscheinlich unabwendbar. Vermieden aber werden kann, dass die Regierung darauf erneut mit Gewalt reagiert. Dafür braucht China dringend politische Reformen.

Kann China eine Demokratie werden?

Das ist nur eine Frage der Zeit. Demokratische Strukturen wie die Gewaltenteilung von Regierung, Parlament und Justiz könnten in zehn bis fünfzehn Jahren erreicht sein. Für ein wirklich demokratisches Bewusstsein und stabile demokratische Institutionen braucht es mehr Zeit.

Sollen westliche Unternehmen wie Volks-wagen oder Siemens ihre Investitionen in China stoppen, solange die Menschenrechte verletzt werden?

Natürlich wollen Unternehmer Geld verdienen. Aber sie sollten auch langfristig denken und politische Reformen unterstützen, denn nur ein demokratisches China schafft die Bedingungen für eine anhaltend prosperierende Wirtschaft.

Unterstützen Sie die Bewerbung Pekings für die Olympischen Sommerspiele 2008?

Ja. Die Kommunistische Partei verdient die Spiele nicht, aber das chinesische Volk.

Wie beurteilen Sie die Krise zwischen China und Amerika nach dem Vorfall um das US-Spionageflugzeug?

Die Spannungen werden nicht wirklich ernsthaft eskalieren. Denn die wirtschaftliche Situation in China ist nicht so, dass es sich die Regierung in Peking leisten könnte, den Bruch mit den USA zu tief werden zu lassen.

Haben Sie Sehnsucht nach Ihrer Heimat?

Natürlich, und ich möchte zurückkehren, sobald die Umstände es erlauben. China ist mein Vaterland.

Wie sieht Ihr Alltag in Amerika aus?

Ähnlich wie der von anderen Studenten. Die meiste Zeit verbringe ich im Hörsaal, in der Bibliothek, der Cafeteria, zu Hause oder im Fitnessclub.

Was wollen Sie nach dem Studium machen?

Ich brauche noch rund sechs Jahre. Es ist also zu früh, schon jetzt zu sagen, was ich konkret tun werde. Ganz generell ausgedrückt: Ich will daran arbeiten, die Situation in China zu ändern.

Interview: Matthias Schepp

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