Lange gab es frisches Grün in der Kosmetik nur als neue Lidschattenfarbe. Was Blumen, Gräser und Bäume an Wirkstoffen heute hergeben, wird für moderne High-Tech-Cremes im Labor inzwischen künstlich nachgebildet, chemisch rein und effizient. "Der ökologische Fußabdruck, den die Produktion und der Vertrieb von Pflege und Düften hinterlässt, ist bedrückend", sagt Allen Hershkowitz von der New Yorker Umweltschutzorganisation Natural Resources Defense Coucil. "Was immer die Beautybranche tut, um Umweltschäden zu vermeiden, ist willkommen." Einige Pioniere wie Weleda, Kneipp, Dr. Hauschka, Body Shop, Ole Hendriksen, Scheller, Claire Fisher, Yves Rocher, Caudalie, Korres, Annemarie Börlind, Lavera, Aveda, Origins oder die australische Marke Jurlique haben von Anfang an auf die umweltbewusste Kundin gesetzt.
Bio klingt gut, aber nicht überall ist wirklich nur Natur drin. Nur einige Marken verzichten nämlich ganz auf synthetische Zusatzstoffe und auf Tierversuche. Ein weltweit einheitliches Umweltsiegel gibt es noch nicht. Die wichtigsten drei sind inzwischen Soil Association, Ecocert und BDIH, das Siegel des Bundesverbandes Deutscher Industrie und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflege eV. Viele Käuferinnen wollen zwar eine Creme, die schnell einzieht, angenehm wirkt, aber auch möglichst wenig Chemie enthält.
Öko auf der Haut wird schick
Deshalb ziehen nun auch die Luxuskonzerne nach: L´Oréal hat sich nicht nur den Body Shop, sondern auch die Naturkosmetikfirma Sanoflore gekauft, Clarins die Ökopflegemarke Kibio. Und Yves Saint Laurent, sonst eher für goldene Puder, eleganten Männerduft ("L´Homme") und glitzernde Lidschatten bekannt, eine Gucci-Tochter, bringt Ende April die neue silberne Naturkosmetik "Care!" von Stella McCartney heraus: Pflege- und Feuchtigkeitscreme, Reiniger und Tönungscreme aus rein organischen Stoffen wie grünem Tee, Malve, Traubenkern-, Rosen-, Leinsamen- und Sojabohnenöl.
Während der Umsatz herkömmlicher Cremes stagniert, legten Produkte, die früher als Wald-und-Wiesen-Pflege verspottet wurden, die ohne Silikone, Paraffine, Erdölprodukte, Duft-, Farb- und Konservierungsstoffe auskommen, im Durchschnitt um zwanzig Prozent im Jahr zu. Selbst in Designhotels wie dem "Rivington" in New York, in dem eine Nacht 300 Dollar kostet, stehen heute im Bad Tuben der britischen Öko-Marke Ren, Algendusch-Lotion, Körpercreme aus Traubenkernöl, Jojoba und Sheabutter, Weizenshampoo und ein Aprikosen-Conditioner fürs Haar. Und auf der Toilette mahnt ein Zettel, mit Wasser sparsam umzugehen. Luxus und Öko passt heute erstaunlich gut zusammen.
Neuster Schrei bei Anti-Aging: Polar-Beeren
Und immer neue natürliche Helfer tauchen als Wunderelixiere auf: lange war es grüner Tee, Aloe Vera, Traubenkernöl, Babassu-Nuss aus Brasilien oder Sanddorn, nun gelten arktische Beeren, Himbeeren, Blaubeeren und Maulbeeren aus der Polarregion, als neuster Schrei in der Anti-Aging-Kosmetik. Denn zwei Dinge machen diese Eis-Beeren als Antifaltenmittel so attraktiv: ihre essentiellen Fettsäuren und ihre Antioxidantien. "Die meisten Pflanzenöle enthalten nur einen Typ einer essentiellen Fettsäure, diese Beeren besitzen beide Fettsäuren, die der Mensch braucht, in ausreichender Menge", sagt die chinesische Biotechnologin Baoru Yang von der finnischen Firma Aromatech Ltd. Die Säuren pflegten nicht nur die Oberhaut, erklärt sie, sondern hellten sie auf, verringerten Pigmentflecken und linderten Entzündungen. Außerdem seien die arktischen Beeren als Antioxidationsmittel als fast doppelt so wirksam wie Vitamin E. Sie stecken heute in den Produkten nordischer Firmen wie Orlane, Lumene oder Skyn Iceland, aber auch in denen von Fresh Elixier Ancien, das aus einem tschechischen Kloster kommt. Sein Sanddorn-Gesichtsöl kostet stolze 250 Dollar. Günstiger ist der Blau- und Maulbeerenextrakt von der finnischen Firma Lumene für 18 Dollar.
Und wer keine arktischen Beeren verwendet, bessert sein Image auf andere Weise auf: Lancome unterstützt die Organisation www.carbonfund.org, die sich für erneuerbare Energien und die Aufforstung von Wäldern einsetzt. "Für jedes erste Produkt von 10.000, die das Carbonfund verkauft, pflanzen wir einen Baum", sagt die amerikanische Geschäftsführerin von Lancome Nina White. Für die CO2-Abgase, die beim Herstellen seiner Teebaumölprodukte entstehen, pflanzt auch der Haarpflegemulti Paul Mitchell gemeinsam mit der Organisation American Forest neue Bäume. Die großen Konzerne wissen um die Macht der längst kritischer gewordenen Käufer und feilen an ihrem Öko-Engagement. Kiehls spendierte seine Gesichtscreme "Ultra Facial" für eine Grönlandexpedition und beteiligt sich bei www.clickforgreenland.com, einer Webseite, die auf die globale Erwärmung weltweit und das schmelzende Eis in Grönland hinweist.
Clarins unterstützt das Schweizer Schutzwaldprojekt Alp Action aus Genf, das Prince Sadruddin Aga Khan ins Leben gerufen hat. Und Aveda aus Minnesota rühmt sich damit, als größter Produzent natürlicher essentieller Fettsäuren seinen neuen Duft "Rose Attar" aus einer hundert Jahre alten bulgarischen Brennerei zu beziehen. Bleibt nur die Frage: Tut so viel Gutes auch der Haut gut? Kritiker der Naturkosmetik wenden ein, bei den schönen neuen grünen Cremes fehlten die künstlichen Konservierungsstoffe, die eine anhaltende Wirkung auch nach dem Öffnen garantieren. Und der Münchner Dermatologe Hans-Peter Schoppelrey ist überzeugt: "Naturkosmetik ist der konventionellen in keiner Weise überlegen. Synthetisch hergestellte ist reiner und häufig besser untersucht." Was allerdings Stars wie Julia Roberts, Charlize Theron oder René Zellweger nicht davon abhält, weiter zu den grünen Tiegeln von Ole Hendrikson oder Dr. Hauschka zu greifen. Da kauft schließlich das gute Gewissen mit.
Mitarbeit: Mieke Tasch, Janine Uter