Stephan Schneider ist unrasiert und in einem Rauschzustand, als hätte er gerade den Himalaya überquert. Bombastisch sei es gelaufen, schwärmt er. Den Vorabend hat er hinter Spiegelglas verbracht und urbane Mittdreißiger dabei belauscht, wie sie seinen neuen Katalog begutachteten. Die Testpersonen hätten Dinge gesagt wie: "Beim Blättern steigt mir immer so ein Duft in die Nase, das riecht so nach Weltenbummeln." Ein größeres Kompliment hätte man Schneider, 41, nicht machen können. Der Conley’s-Katalog erscheint in Deutschland und der Schweiz mit einer Aufl age von vier Millionen Stück. Darin findet sich im Wesentlichen Outdoor- und Freizeitmode, aber auch Antifalten-Klebepflaster aus Ohio, goldene Vibratoren aus San Francisco, Grillbesteckgürtel aus Neuseeland und kalifornischer Instant-Kunstschnee in Tüten. "Conley’s geht für Sie auf Entdeckungsreise", stand im ersten Katalog, den Stephan Schneider 1996 herausbrachte. Dabei ist es geblieben.
Der Legende nach kam Schneider die Idee für Conley’s beim Gespräch mit einem New Yorker Taxifahrer namens Jack Conley. In Wahrheit beauftragte ihn sein Vater, der in Hamburg Europas größten Büround Werbeartikelversand betreibt, 1996 mit der Konzeption eines Nischenprodukts im Versandgeschäft. „In den USA beobachtete ich, wie Rocker auf Anglershorts abfuhren und Biker auf Eisenbahnerwesten. So kam ich darauf, klassische Funktionsmode in die Stadt zu bringen." Dass deutsche Großstädter heute mit "Helly Hansen"-Seglerjacken, australischen Outback- Mänteln und "La Martina"-Polohemden rumlaufen, sei größtenteils sein Verdienst, behauptet Schneider. Um sich von Otto, Quelle & Co. abzugrenzen, stellte er vier Unternehmensgrundsätze auf. Erstens: Wir machen alles anders. Zweitens: Wir setzen auf Marken. Drittens: Statt der üblichen Model-am-Strand-Motive fotografieren wir die Produkte schlicht auf weißem Untergrund. Viertens: Wir gehen humorvoll mit der Ware um.
Das chaotische Konzept ist erfolgreich
Schneider: "Hey, es ist nur Mode. Warum soll man daraus einen Staatsakt machen?" Im Katalog sieht das dann so aus: Auftakt jedes Modethemas ist ein Foto, das eine Geschichte erzählt – in der Regel so betextet, dass man meinen könnte, das Produktionsteam habe einen ordentlichen Joint geraucht oder sich gemeinsam volllaufen lassen. Schneider grinst. "Das kann schon mal vorkommen." Da ist etwa ein männliches Model am Holzhobel zu sehen - Dusty aus einem "Hobelvorort", der "wegen gemeinsam begangenem schwerem Staubüberfall mit einem Schleifenhörnchen aus schwierigen Verhältnissen" unter Jugendarrest steht. Oder eine Frau mit Rotweinglas am Kamin, die einen Toaster repariert. Diese Bilder nennt Stephan Schneider E-Bilder, Erlebnisbilder, die Emotionen wecken sollen. "Wenn hinterher ein wütender Kunde schreibt, seine Frau könne überhaupt keinen Toaster reparieren, haben wir alles richtig gemacht."
Die Fotoproduktionsreisen, die auch genutzt werden, um Boutiquen nach neuen Marken abzuklappern, leitet Schneider selbst - zusammen mit einem Team aus Fotograf, Models, Kumpeln aus seinem Fußballverein und diversen Überraschungsgästen, die unterwegs aufgegabelt werden. Bei einer Produktion am Mount Everest war es ein nepalesischer Bergführer, der anschließend ein Praktikum in der Hamburger Zentrale machte, auf der letzten Reise in Las Vegas ein Ex-Knacki, der seinen Job als Abschleppwagenfahrer verlor und kurzerhand als Model einsprang. Schneider: "Wir achten darauf, dass immer mindestens ein Beknackter im Team ist." Die Ideen zu den teils absurden Motiven entstünden unterwegs. "Storybord?" Schneider klopft sich auf die Schenkel. "Wir haben ja noch nicht mal einen Plan!" Das chaotische Konzept ist erfolgreich. Inzwischen zählt Conley’s Modekontor GmbH zu den hundert größten Versandhäusern in Deutschland und beschäftigt allein im Design und Marketing 25 feste Mitarbeiter.
"Ich langweile mich schnell"
Der Jahresumsatz liegt bei mehr als 30 Millionen Euro. Um die geringen Margen der Markenartikel auszugleichen, wächst die Zahl der Conley’s-Eigenmarken stetig. Ein Dutzend Designer entwirft für Hausmarken wie "Dee Why" und "Rockgewitter", benannt nach Schneiders Freizeit-Rockcombo. 2000 führte Schneider den Wäschekatalog "Bambola" ein, 2004 folgte "Discovery", ein Versand für absurde Produkte aus aller Welt. "Ich langweile mich schnell", sagt Schneider. "Deswegen muss ich immer wieder etwas Neues machen, wovon ich keine Ahnung habe." Für sein neues Projekt, einen Kinderkatalog, lud er kürzlich eine Horde Zwei- bis Zwölfjähriger ein. Um herauszufinden, was sie cool finden und was nicht. Jetzt sei er schlauer, glaubt Schneider. "Lillifee ist immer noch weit vorn, aber die Wilden Kerle sind schon wieder doof." Schade eigentlich. Denn die waren ihm irgendwie sympathisch.