Düsseldorfer Modemesse Magermodels runter vom Laufsteg

  • von Tim Farin
Bundesgesundheitsministerin Schmidt und die deutsche Modebranche vereinen sich im Kampf gegen die Magersucht. Auf der Düsseldorfer Modemesse waren sie sich einig: Klapprigen Mannequins soll hierzulande kein Platz auf dem Laufsteg mehr eingeräumt werden.

Es scheint, als sei Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am völlig falschen Ort. Das Problem, von dem sie gerade gesprochen hat, sei riesig - das sehen auch alle anderen so wie die mächtige Frau. Aber eigentlich auch wieder nicht so riesig, zumindest nicht in jener Branche, mit deren Vertretern sich die Sozialdemokratin an diesem Montagmorgen am Düsseldorfer Rheinufer zusammengesetzt hat. Am Rande der Modemesse Igedo Fashion Fairs traf Schmidt auf hochrangige Vertreter der deutschen Mode-Industrie, Messeveranstalter Igedo verkündete seine Unterstützung für die neue Kampagne der Regierung, "Leben hat Gewicht". Gemeinsam mit den Schickmachern will Schmidt nun gegen Magermodels mobil machen, weil Ess-Störungen in Deutschland zu einem beträchtlichen Problem mutiert sind. Allerdings, so sagen die Modeleute unisono, seien magersüchtige Modelle auf dem deutschen Markt ohnehin kaum zu finden. Weswegen die Veranstaltung zum Wochenauftakt sehr symbolische Züge annimmt.

Das Medienaufgebot ist erheblich, kein Wunder, denn mit dem skandalisierten Thema "Magermodels" lässt sich schnell ein Hingucker produzieren. Vielleicht, das mag wohl die Hoffnung von Ulla Schmidt sein, hilft dieses Medien-Treiben ja bei der Übermittlung ihrer neuen Nachricht: "Auch jemand, der Kleidergröße 38 oder 40 trägt, kann Erfolg haben", sagt die Politikerin. Wichtig sei, dass der Mensch sich wohlfühle. Die Bilder von ausgemergelten Rippengestellen, die über die Laufstege in Mailand und Paris hetzen, mag die Ministerin nicht gern sehen. Sie ist fest davon überzeugt, dass diese Bilder in den Köpfen von heranwachsenden Menschen wirken, gerade wenn Jugendliche ihr Selbstwertgefühl vermissen und unter Leistungsdruck stehen. "Viele eifern Schönheitsidealen nach", sagt Schmidt. Auf 600.000 beziffert sie die Zahl der 15- bis 35-Jährigen, die heute krankhaft unterernährt leben. "Deswegen ist es unser Ziel, Verbündete zu finden", sagt die Chefin des Gesundheitsressorts.

In der Igedo und wichtigen Branchenverbänden sowie Fachmedien aus dem Modebereich hat Schmidt nun neue Alliierte für ihre Initiative gefunden. "Wir haben festgestellt, dass wir aufklärerisch wirken müssen", begründete Igedo-Geschäftsführer Frank Hartmann die Allianz. Sie formierte sich am Montagmorgen mit einer gemeinsamen Gesprächsrunde. Die Zusammenfassung der Ergebnisse wirkt ein wenig dünn. Von einem Kodex ist die Rede, den sich die deutsche Modeindustrie in den kommenden Monaten geben wolle, um "gegen übertriebenen Schlankheitswahn in der Branche" zu kämpfen. Bis zur nächsten CPD-Messe Ende Juli wolle man in Arbeitsgruppen zusammenwirken und dann öffentlich Ergebnisse präsentieren, kündigte Hartmann an.

Doch was soll genau geschehen in der deutschen Modebranche? Die Igedo berichtet, dass sie schon bisher entlang von "selbst definierten Richtlinien" sichere, dass die Mädchen in ihrem Dienst auch gesund sind, und der Verband deutscher Mode- und Textil-Designer berichtet von einer Verpflichtung seiner Mitglieder auf "Mindestmaße statt Magermodels", die schon seit 2006 gelte. So sei die Sache mit den Magermodels hierzulande schlimmstenfalls eine Marginalie, sagen die Branchenleute. "Wir sehen das Thema vor allem auf den internationalen Laufstegen", berichtet Thomas Rasch von German Fashion, und Torsten Fuhrberg vom großen Modell-Agentur-Verband VELMA reagiert sogar ein wenig erregbar auf die Magermodel-Fragen der Journalisten: "In Deutschland ist das Problem so gut wie nicht existent", sagt er. Auf den Messen und in deutschen Mode-Katalogen jedenfalls, so versichern es die Kenner, gebe es keine Girls mit Konfektionsgröße 32. Messen wie die von Igedo, sagt auch Geschäftsführer Hartmann, könnten das gar nicht tun - "am Ende wird das Geld dort verdient, wo der Durchschnitt ist", erklärt er, und der habe eben hierzulande keine Mini-Ausmaße.

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Die Modebranche zeigt auf jemand anders, der viel mehr für die falschen Schlankheits-Zwänge der jungen Menschen verantwortlich sein soll: Die Medien müssten sich fragen, was für ein Menschenbild sie transportieren. Und Ministerin Schmidt weist zudem darauf hin, dass auch die Werbebranche in der Pflicht ist. Das Beispiel "Dove", wo ganz normale Frauen für Schönheitsprodukte werben, bleibe ein Unikat. Allerdings muss sich auch Frank Hartmann der kritischen Zwischenbemerkung stellen, dass Kleidergröße 40 auf seiner Messe als "Supersize" läuft.

Ob nun die ausgemergelten Schreck-Schönheiten in Deutschland hungern oder jenseits der Grenzen - für Ulla Schmidt dürfte das gar nicht entscheidend sein. Wichtiger war ihr bei diesem Termin, dass sie neue Bündnispartner für die Initiative der Bundesregierung gewonnen hat. Ihr, betonte die Ministerin, gehe es nicht darum, irgendetwas zu verordnen. Sondern darum, gemeinsam mit Sportlern, Ärzten, Lehrern, der Modebranche und den Medien auf die fatalen Wirkungen der Essstörungen aufmerksam zu machen. "Vielleicht kommt man dahin, dass das Schönheitsideal sich ein bisschen verändert", entwarf die Ministerin eine zurückhaltende Zukunftsvision. Und vielleicht helfen die Macher der deutschen Mode ja dabei, dass künftig auch aus anderen Ländern keine Bilder von viel zu kargen Kindsfrauen mehr in der deutschen Werbung und in hiesigen Magazinen landen. In Folge der neuen Kampagne werde man, sagte ein Verbandsvertreter, das Thema nun in der internationalen Fachöffentlichkeit anbringen. Es bleibt abzuwarten, ob die namhaften Designer für solche Probleme ein Ohr haben.

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