Die Geschichte von "Wegeler Pur" ist so einfach wie verblüffend", sagt Tom Drieseberg trocken, "es gibt keine!" Hört sich cool an, was der Chef vom Weingut Wegeler im Rheingau da sagt. Ist aber falsch: Es gibt eine Geschichte, nur war sie bislang unbeachtet. Aber das wird sich ändern.
"Wegeler Pur" - noch nie gehört? Ist auch kaum möglich bei einem brandneuen Produkt. Warum aber haben seine Produzenten dann 30000 Flaschen verkauft, in nur sechs Wochen, und zwar zu zwölf Euro pro Stück? Weil es ein Markenwein ist.
Markenwein? Das waren bislang unter anderem "Vitae", "Blanchet", "Le Filou", "Viala" und "Graf Karoly", im Supermarktregal in Blick- und Griffhöhe platziert, knapp über den völligen Nullingern wie "Landwein der Mosel", "Pfalz Portugieser Weißherbst" und "Mazedonischer Rotwein". Dass in einem Markenweinregal je mal Trinkbares zu finden sein sollte, war bislang fast undenkbar. Dort stand nur anonymer Verschnitt charakterloser Qualitäten, zusammengekippt von Leuten, die ausschließlich in der Größenordnung von Tanklastzügen denken. Dabei ist prinzipiell gar nichts falsch daran, Weine zu einem immer gleichen Geschmack zusammenzustellen. Das macht der Kellermeister: Er mischt aus den Weinen der eigenen Berge und zugekauften Qualitäten anderer Winzer einen Wein, der jahrein, jahraus immer gleich schmeckt. Das Prinzip hat den Vorteil, dass der Winzer von Wetterkapriolen und anderen Zwischenfällen unabhängiger wird: Bringt sein Weinberg in einem Jahr nicht die erhoffte Qualität und Menge, kann er sich mit den zugekauften Weinen behelfen - und so lange mischen, bis der gewünschte Geschmack da ist.
Markenweine auch der höheren Klasse
"Wegeler Pur" funktioniert nach diesem Prinzip, aber der ist ein Markenwein der höheren Klasse. Das gab's bislang wenig, aber das ändert sich jetzt. "Es gibt einfach ein geschmacks- und qualitätsbewusstes Publikum, das keine Lust hat, sich lange mit Wein auseinanderzusetzen", sagt Wegelers Drieseberg.
Der Markt sucht Weine für Einsteiger, die trinken wollen, aber weder Namen noch Anbaugebiet, weder Rebsorte noch Jahrgang und schon gar nicht Qualitätsstufen memorieren wollen.
Diese verständliche Faulheit kann sich beim Kauf von Lagenweinen bitter rächen: War ein bestimmter Wein 2002 toll, kann der 2003er todlangweilig sein - und der Käufer legt sich dann mit bestem Gewissen eine Desasterflasche zu.
Der Erfolg des "Fat Bastard"
Bei Markenweinen weiß man, was man hat. Selbst in Frankreich, wo es bislang zum guten Ton gehörte, wortreich über Terroir und Mikroklima plaudern zu können, machen erste Winzer Marken aus schlichten Weinen - denn selbst ihre verwöhnte Kundschaft verspürt immer weniger Lust, vor jedem Kauf die WeinEnzyklopädie zu befragen. Ein Chardonnay namens "Fat Bastard" geriet dabei zu einem solchen Erfolg, dass seine Erfinder Guy Anderson und Thierry Boudinaud, die Marke jetzt in die USA verkauften und sich schon um die nächsten kümmern.
Tom Drieseberg hat solche Erfolge bereits hinter sich: "Geheimrat J" heißt jener Wein, der seit mehr als 20 Jahren auf dem Gut Wegeler entsteht. Er ist einer der ersten deutschen Markenweine. Drieseberg glaubt an das Konzept und auch daran, dass eine erfolgreiche Marke gepflegt werden muss. Kompromisse zulasten der Qualität sollen nicht gemacht werden: "Wir hatten in dieser Zeit auch drei Jahrgänge, in denen es das Weinjahr einfach nicht brachte. Da haben wir gesagt: Wir können nicht eine Marke aufbauen und sagen, dieses Jahr ist er nicht so toll. Nein, in jenen Jahren haben wir gesagt: Dann gibt es ihn eben nicht."