New York war schon immer eine Stadt der Extreme: so großartig wie gewaltig, so glamourös wie gemeingefährlich. Allerdings war das Pflaster des Big Apple vor ein paar Jahrzehnten noch ein bisschen rauer als heute, und von dieser Zeit erzählt das neue Werk von Ryan Murphy, dem Macher hinter Serien wie "American Crime Story" und "American Horror Story".
"Pose" ist gerade bei Netflix angelaufen und passt in die LGBT-Offensive des Streaming-Anbieters, zu der auch der Doku-Klassiker "Paris Is Burning" und die Drag-Pionier-Geschichte "The Death and Life of Marsha P. Johnson" zählt. Schon vor dem Start machte die Produktion Schlagzeilen, weil hier vor und hinter der Kamera so viele transsexuelle Menschen beteiligt sind wie bei keiner Serie zuvor.
"Pose" und die LGBT-Szene der 80er
"Pose" porträtiert die New Yorker Ballroom-Szene der 80er, als in den Kellerclubs der Stadt die LGBT-Szene ebenso wie die Black Culture zu Underground-Parties, Fashion-Events und Dance-Battles zusammenkam. Gegen diesen konsequent-queeren Reigen inklusive seiner Schattenseiten (Aids, Drogen) wird eine Geschichte um den von James van der Beek (der Dawson aus "Dawson's Creek) gespielten Yuppie und seinen Alltag als karrieregeiler Macker im Trump Tower geschnitten.
Das sorgt für einen interessanten Kontrast, der an so mancher Stelle gar keiner ist – denn hier wie dort dominiert die titelgebende Pose: Sowohl im Transgender-Keller in Brooklyn als auch im Büro an der Wall Street spielen die Protagonisten vor allem eine Rolle, auf ihrer Suche nach ein bisschen Echtheit, nach ihrer wahren Identität und einem guten Leben in einer brutalkapitalistischen Stadt.
Frühes Juwel des Serienjahres
Und so funktioniert "Pose" einerseits als Zeitreise in die Vergangenheit, andererseits als treffender Kommentar auf die Gegenwart. Denn New York und die USA sind immer noch so gespalten wie damals, wenn nicht gespaltener. Der Mythos vom gelobten Land der Freiheit ist längst entzaubert.
Auch davon erzählt "Pose": von der hoffnungslosen Jagd nach dem Glück, an deren Ende die einfache Erkenntnis steht, dass, wenn alle anders sind, doch eigentlich alle gleich sind. Diese zutiefst empathische Serie kommt einerseits mit viel Liebe für seine Charaktere daher, andererseits als Spektakel aus Kostüm und Kulisse, als praller Mix aus Sex und Tanz, aus Drogen und Diskriminierung. Ein frühes Juwel des Serienjahres.
