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Romanverfilmung "Auerhaus" Angst und Depression: Warum lustige Filme und Bücher über düstere Themen so wichtig sind

Auerhaus
Luna Wedler (r.) als Vera und Damian Hardung als Höppner in "Auerhaus"
© DPA
"Auerhaus" von Bov Bjerg war 2015 ein Überraschungsbestseller. Jetzt kommt die Verfilmung des Romans ins Kino. Der Stoff beweist, was lange undenkbar war: dass wir in Deutschland durchaus eine dunkle Geschichte mit Humor erzählen können.

In Deutschland wird in der Buchbranche streng zwischen U- und E-Literatur getrennt. Unter U werden sogenannte unterhaltende Stoffe einsortiert, unter E die ernsten Geschichten.

Es ist eine dumme, die Kunst kastrierende Trennung, die es in anderen Ländern nicht gibt, und das ist auch gut so, denn auf den gesamten Kulturbetrieb übertragen hätte es mit dieser Vorgabe vielschichtige Serienmeisterwerke wie "Die Sopranos" oder "Breaking Bad" nicht gegeben.

Hierzulande war jedoch aufgrund dieses Schubladendenkens – das letztlich nichts anderes bedeutet, als dass der Konsument für blöd gehalten wird – lange undenkbar, dass eine düstere Geschichte durchaus mit Humor erzählt werden kann. Ein genialer Beobachter des Abgründigen wie Heinz Strunk konnte so über Jahre in die Klamauk-Ecke gedrängt werden – erst als er über den Serienmörder Fritz Honka den Roman "Der goldene Handschuh" schrieb, ging manchem Beobachter ein Licht auf, was die wahren Stärken dieses Schriftstellers betraf.

Depressionen

"Auerhaus": Überraschungsbestseller im Kino

In unserem U- und E-Land muss es deshalb auch als Sensation gelten, dass ein so ein wunderbarer Roman wie "Auerhaus" von Bov Bjerg seinerzeit vom Blumenbar-Verlag entdeckt wurde, der damit einen Volltreffer landete: Das Buch geriet zum Überraschungsbestseller des Jahres 2015, wurde vielfach fürs Theater adaptiert, und jetzt kommt die Verfilmung von Neele Leana Vollmar mit den Schauspielern Damian Hardung, Max von der Groeben, Luna Wedler und Milan Peschel ins Kino.

Das Besondere daran, und das macht den Erfolg von "Auerhaus" erst zum Triumph, ist: Berg erzählt mit seinem Stoff eine dunkle Geschichte auf leichte, stellenweise heitere Weise und berührt damit erst recht. Vordergründig eine nostalgische Coming-of-Age-Story aus der Provinz werden unter dieser Oberfläche aber Themen wie Zukunftsangst, Todessehnsucht und Depression in charmantem Ton verhandelt. Denn es geht um eine sechsköpfige Clique, die aus Angst vor einer vorgefertigten Existenz ("Birth - School - Work - Death") in eine WG auf dem Dorf zieht: das Auerhaus. Nur will einer der Freunde eigentlich gar nicht mehr leben.

Fälschlicherweise wird in Deutschland ja oft angenommen, dass es Themen gebe, über die keine Witze gemacht werden dürften. Aber das entlarvt bloß ein fundamentales Missverständnis darüber, welchen Auftrag komische Kunst im besten Fall erfüllt, ja, was Humor eigentlich bedeutet: Er kann uns helfen, auch schlimme Dinge zu ertragen, im besten Fall gar zu verarbeiten. Es ist die klassische therapeutische Wirkung: Wir lachen, um uns zu erleichtern – und deshalb kann uns auch niemand vorschreiben, worüber.

Umso fataler ist die ständige Trennung von U und E, die Katalogisierung eigentlich flexibler Stoffe. Wir sollten dringend damit aufhören, uns in unserem erzählerischen Denken zu beschränken. Wir sollten dem Leser oder Zuschauer durchaus zutrauen, selbst zu entscheiden, wann er lacht oder weint, und dass er in der Lage ist, beide Emotionen innerhalb ein und derselben Geschichte zu erleben. Dann, und nur dann, wird es noch viele Überraschungserfolge wie "Auerhaus" geben. Bis sie irgendwann keine Überraschungen mehr sind.

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