Purl ist aufgeregt. Das pinke Wollknäuel steht im Aufzug mit einem Kollegen, bereit den neuen Arbeitsplatz bei "B.R.O. Capital" zu erobern. Doch statt des perfekten ersten Tages, folgt ein schlimmer Spießrutenlauf. Ein pinkes Wollknäuel in einer Investmentfirma? Klingt schräg, doch Purl ist der Hauptcharakter im neuen Kurzfilm des "Pixar"-Animtionsstudios "SparkShorts". "Pixar" ist mit Kinohits wie "Oben" oder "Die Unglaublichen" um anrührende Geschichten von animierten Charakteren bekannt geworden.
Kritik an der Arbeitswelt
Die Geschichte von Purl ist rasch erzählt: Das pinke Wollknäuel tritt einen neuen Job in einer großen Firma an. Ihr Arbeitsumfeld wird von Männern dominiert, die mit der neuen Kollegin nicht viel anfangen können und wollen. Purl wird belächelt, ignoriert oder einfach ausgeschlossen. Um sich endlich zu integrieren, macht sich das runde Wollknäuel im wahrsten Sinne flach, strickt sich einen Anzug und passt sich dem Verhalten der Männer an. Zotige Witze, breitschultriges Auftreten. Doch plötzlich erscheint eine weitere neue Kollegin und Purl muss ihr Verhalten überdenken.
Pixar-Filme galten bisher vorwiegend einer jüngeren Zielgruppe. Die Charaktere waren klar gezeichnet, die Rollen zwischen Gut und Böse verteilt und hinter dem Plot versteckte sich doch immer eine Gesellschaftskritik. Oft standen bei "Pixar" Außenseiter im Fokus, die am Ende mit ihrem Handeln die Welt ein Stück besser machten; man nehme nur "ToyStory", "Findet Nemo" oder "WALL.E". Auch Purl ist zuerst eine Außenseiterin – aber ihre Kritik richtet sich an eine ältere Zielgruppe. Und trotz gefühliger Elemente wie großer Glubschaugen und niedlicher Details wie dem Strick-Cover für Purls Laptop, ist der Kurzfilm eine scharfe Kritik an der westlichen Arbeitswelt.
Wahre Klischees
Natürlich sind im "SparkShorts"-Erstlingswerk die Rollen klar verteilt und die Klischees im wahrsten Sinne scharf gezeichnet. Purl ist Pink, hat große Kulleraugen und strickt gern. Sie bringt Blumen mit an ihren Schreibtisch und ein lila Tischtuch. Ihre Kollegen sind alle gleichaussehende, weiße Männer in schwarzen Anzügen, die sich nur für Autos und Chicken Nuggets interessieren. Natürlich ist der Clash erwartbar. Aber jeder, der schon einmal einen neuen Job oder ein Praktikum angetreten hat, kennt Erfahrungen, die auch Purl erlebt: Man will sich integrieren, versucht lustig, nett und aufgeschlossen zu sein – und merkt doch, dass man keinen Zugang zu den Kollegen findet. Also versucht man sich anzupassen. Und jeder, der schon einmal mit neuen Kollegen oder Praktikanten zu tun hatte, ertappt sich dabei, wie man über die ungewöhnliche Tasse des neuen Kollegen lacht oder sich nachher fragt, warum man ihn oder sie noch nicht zum Lunch eingeladen hat.
Bei "Purl" steht zudem noch die Frage im Vordergrund, sich als Frau in einer immer noch männlich dominierten Unternehmenskultur zu behaupten. Und glaubt man Pixar, beruht der Inhalt dabei auf einer wahren Begebenheit. Im "Meet-the-Filmemakers"-Video, das "Pixar" bei Youtube gepostet hat, sagt Regisseurin Kristen Lester: "Der Film basiert auf meinen Erfahrungen in der Animationsbranche." In ihrem ersten Job sei sie die einzige Frau unter Männern gewesen und um das zu machen, was sie liebte, habe sie sich den Männern angepasst. Erst bei "Pixar" habe sie dann mit weiblichen Kolleginnen gearbeitet und gemerkt, wie viel sie von sich begraben habe.
"Purl" ist damit nicht nur feministisch, sondern ein Aufruf an uns alle, unsere Verhaltensweisen und Umgangsformen gegenüber unseren Kollegen, Nachbarn und Freunden zu überdenken. Wer etwas verändern will, muss sich gegen eingespielte Strukturen durchsetzen, aber auch zu sich und seiner Meinung stehen und die eigene Komfortzone verlassen.