Es gibt wohl kaum ein Thema, das die Gemüter der Musikwelt derzeit so sehr erhitzt wie die Echo-Verleihung. Das liegt nicht etwa an den spektakulären Auftritten während der Show, sondern an zwei Rappern: Farid Bang und Kollegah. Die beiden Musiker gewannen den Echo in der Kategorie "Hip Hop/Urban National". Für viele ein Unding. Julian Reichelt, Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, schreibt in einem Kommentar gar von einer "Schande für dieses Land".
Möglicherweise ist diese Kritik etwas überzogen. Allerdings lässt sich nicht abstreiten, dass das Album "Jung, brutal, Gutaussehend 3", für das die beiden nominiert waren, Textzeilen enthält, die zum Teil eine gewisse Grenze des guten Geschmacks überschreiten. Dazu gehört auch die von anderen Medien viel zitierte Passage "mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen".
Für Tote-Hosen-Frontmann Campino war das einer der Gründe, die ganze Thematik bei seiner Dankesrede für den Echo, den seine Band in der Kategorie "Rock National" gewann, anzusprechen. Die Reaktionen in den sozialen Medien ließen nicht lange auf sich warten. Auch der Berliner Rapper Fler äußerte sich dazu. Mit ihm haben wir gesprochen.

Das sagt Fler zum Campino-Kollegah-Beef
Du hast auf Twitter bereits ordentlich gegen die Echo-Veranstaltung abgeledert – warum?
Ganz einfach: Die ganze Echo-Verleihung ist mal wieder sehr feige gewesen. Sie stellen ausgerechnet die beiden Künstler an den Pranger, die ihnen eine gute Quote verschaffen – nämlich Kollegah und Farid Bang. Das verstehe ich nicht.
Die Kritik kam aber nicht von irgendwo her. Farid Bang und Kollegah sind wegen ihrer Texte aus ihrem Album "Jung, brutal, gutaussehend 3" in die Kritik geraten.
Um die Kritik geht es bei mir in erster Linie gar nicht. Es geht darum, wie man die beiden kritisiert hat. Wenn man, wie in diesem Fall, Antisemitismus in den Vordergrund einer solchen Veranstaltung stellen möchte, kann man das gerne machen. Aber dann sollte man auch schon im Vorfeld mit offenen Karten spielen. Das heißt, Kollegah und Farid Bang fair damit konfrontieren, damit sie die Chance haben, sich dafür zu rechtfertigen bzw. das Ganze zu entkräften. Nur wurde das nicht gemacht. Stattdessen hat man auf die beiden draufgehauen.Wie hast du die ganze Debatte im Vorfeld wahrgenommen?
Ich fand es fragwürdig, Kollegah und Farid Bang wegen des Albums "Jung, brutal, gutaussehend 3", mit dem sie ja zweimal nominiert waren, Antisemitismus vorzuwerfen. Sicher lässt sich darüber diskutieren, ob diese Textzeile aus "0815" ("Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen", Anm. d. Red.) geschmacklos ist oder nicht. Und da kann ich auch sagen, dass jeder Rapper diese Diskussion gerne führt. Nur war es überhaupt keine Diskussion. Es wurde ja nur Stimmung gegen die beiden gemacht.
Dann kommt es zu der Verleihung und Campino wütet gegen Farid Bang und Kollegah …
Der Typ stellt sich dar, als sei er ein linker Rebell. Dabei verkörpert er gerade nur den aktuellen Zeitgeist des Establishments. Es geht gar nicht darum, was er gesagt hat, sondern was das für eine Auswirkung hat. Der Typ stellt die Künstler, die sich in der deutschen Musikindustrie noch trauen, andere Musik zu machen als der Mainstream, an den Pranger. Campino ergötzt sich daran, dass er den Moralapostel auf der Bühne spielt, weil er den "so bösen Rappern" sagt, was sie nicht machen dürfen.Naja, er nutzt doch seine Stimme, seine öffentliche Person und spricht ein vermeintliches Problem an?
Das ist gar nicht das Problem, dass er Kritik an einer Sache übt. Das Problem, das ich damit habe, ist, dass er immer nur dann Kritik an Dingen ausübt, wenn sie ihn in der Öffentlichkeit auch gut dastehen lassen. Er hat mit seinem Vortrag das gesagt, was doch eh schon viele Teile der Medien geschrieben haben. Aber wann legt er mal bei richtigen Problemen den Finger in die Wunde? Er pickt sich nur die Rosinen raus. Themen und Kritik, mit denen er punkten kann. Das nervt mich an solchen Leuten – und das ist in gewisser Weise auch heuchlerisch.
Aber Antisemitismus ist ja nicht irgendein wahlloses Thema. Vor allem gibt es diese Debatte schon länger, ob es im deutschen Rap Antisemitismus gibt.
Dazu will ich nur so viel sagen: Rapper sind die letzten Typen, die etwas nicht direkt sagen – und nicht dazu stehen. Deshalb findet Deutschrap doch so eine breite Hörerschaft. Wenn ich in einem Song etwas gegen eine Minderheit oder ein Geschlecht rappen würde, dann würde ich auch dazu stehen. Und nur weil mich breite Teile der Öffentlichkeit dafür kritisieren, würde ich davon auch nicht abrücken.
Mit anderen Worten: Also, die Dinge, die man sagt, meint man auch so im Rap!?
Ja, und wenn die Sache nicht politisch korrekt sind, dann sagt man sie trotzdem. Hip Hop interessiert die Allgemeinheit nicht. Wir haben auch deshalb eine Stimme, weil wir sagen können, was wir wollen. Und eines steht für mich bei aller Diskussion außer Frage: Deutschrap hat kein Antisemitismusproblem. Das geht auch gar nicht, weil wir Multikulti sind.
Findest du nicht, dass man trotzdem aufpassen sollte, was man sagt?
Natürlich, aber es geht bei der allgemeinen Kritik dennoch nie um die Kunst. Es wird immer in einen ganz anderen Kontext gesetzt und verallgemeinert. Es ist gar kein Problem, dass über diese Farid-Line diskutiert wird, sondern wie die Diskussion ausartet. Auf einmal wird daraus eine Antisemitismus-Debatte.
Die Diskussionen haben im Falle von Kollegah einen gewissen Hintergrund. In seinem Song "Apokalypse" gibt es vereinzelte Passagen und Andeutungen im Video, die man schon antisemitisch auslegen kann?
Diesen Kollegah-Song habe ich nicht gehört. Deshalb kann ich dazu nicht viel sagen. Dennoch ist die Line "mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen" nicht antisemitisch. Sie ist vielleicht geschmacklos oder politisch inkorrekt, aber nicht antisemitisch.
Aber selbst dabei stellt sich doch die Frage, wie jüngere Hörer damit umgehen?
Diese Textzeile verändert doch nicht die Sicht auf die Welt eines Jugendlichen. Also dann müssten ja alle Kinder oder Jugendliche, die Gangster-Rap hören, kriminell oder gewalttätig sein. Das ist genau so ein Schwachsinn, wie die Debatte darüber, dass Ego-Shooter aggressiv machen. Ich glaube, das größte Problem ist, dass Hip Hop und Deutschrap im speziellen einfach anders ist – und die älteren Leute damit nicht umgehen können. Seit Jahren muss ich mir nämlich solche Debatten anhören – und anscheinend hört es nicht auf.
Dann erkläre doch vielleicht einmal für jemanden, der überhaupt nicht Rap hört, wie solche Lines zu verstehen sind.
Ich mache das mal am Fußball fest. Da verstehen die Leute auch, dass sich dort Menschen in die Beine grätschen. Wenn man das Gleiche aber im Alltag macht, ist das dann Körperverletzung. Das heißt: Wenn ein Farid Bang in einem Song solche überspitzten Sachen sagt, dann geht es darum, mit Worten zu schocken und zu provozieren. Um mehr geht es nicht. Das nennt sich Entertainment. Leute sollen unterhalten werden – und das werden sie auf unterschiedliche Art und Weise. Jetzt kommt es aber zu dieser Zensur, die es nur in Deutschland gibt. Man darf nur konservativ unterhalten. Es gibt aber in der Unterhaltung keine Grenzen. Das nennt sich künstlerische Freiheit. Das verstehen viele nur hierzulande nicht.
