Erhalt und Digitalisierung: Kabinett beschließt neues Gedenkstättenkonzept

Krematorium des früheren Konzentrationslagers Buchenwald
Krematorium des früheren Konzentrationslagers Buchenwald
© AFP
Die Bundesregierung hat nach 17 Jahren ein aktualisiertes Gedenkstättenkonzept für die Erinnerung an die NS-Terrorherrschaft und die DDR-Diktatur verabschiedet. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch eine entsprechende Vorlage von Kultur-Staatsminister Wolfram Weimer (parteilos). Er betonte, Gedenkstätten und Erinnerungsorte seien "zentrale Pfeiler unseres demokratischen Selbstverständnisses". Deutschland trage "eine dauerhafte Verantwortung, die staatlich begangenen Verbrechen des 20. Jahrhunderts aufzuarbeiten und der Opfer zu gedenken".

Das erste Gedenkstättenkonzept des Bundes war 1999 verabschiedet worden, es wurde zuletzt 2008 überarbeitet. Ein Schwerpunkt des Konzepts ist der bauliche Erhalt und die Sanierung historischer Orte. Konkrete Zahlen für den Finanzbedarf gibt es hier flächendeckend nicht. Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, sagte aber, allein die beiden ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen hätten "einen Sanierungsbedarf von 140 Millionen" Euro.

Weimer sagte eine Erhöhung der Etats für Erinnerungskultur im kommenden Jahr zu, damit Gedenkstätten ihre Vorhaben realisieren könnten. Zahlen nannte der Staatsminister aber nicht.

Weiterer Schwerpunkt des Konzepts ist die Digitalisierung. Verstärkt gefördert werden sollen digitale Vermittlungsformate wie Podcasts, Social-Media-Projekte oder digitale Archive. Zudem sollen neue Themenschwerpunkte, Ausstellungsformen und eine ortsbezogene Forschung unterstützt werden. Reagieren will die Bundesregierung mit dem neuen Konzept auch auf "die wachsende Bedrohung durch Geschichtsverfälschung und zunehmende Anfeindungen, sogar Angriffe auf Gedenkstätten".

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßte das überarbeitete Konzept als "ein wichtiges und ein notwendiges Zeichen". Der klare Fokus auf die Verbrechen der NS-Diktatur sende "angesichts der aktuellen Herausforderungen und der Bedrohung jüdischen Lebens durch den wieder aufkeimenden Antisemitismus das richtige Signal". 

Gedenkstätten seien "Teil der kritischen Infrastruktur unserer Demokratie", erklärte die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag, Evelyn Zupke. "Mit der neuen Gedenkstättenkonzeption stärken wir die Erinnerung an die Opfer und schlagen zugleich eine Brücke zwischen der Vergangenheit und unserer Gegenwart durch eine Stärkung der Vermittlungsarbeit, insbesondere auch im digitalen Raum."

Die Bundesregierung wird nun auch eine wissenschaftliche Kommission berufen. Sie soll Empfehlungen erarbeiten, welche Einrichtungen künftig in die institutionelle Bundesförderung aufgenommen werden könnten.

Der deutsche Kolonialismus ist nicht Teil des Gedenkstättenkonzepts. Hier soll den Angaben zufolge ein separates Konzept entwickelt werden. Die Bundesregierung betonte, sie messe "der Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte große Bedeutung bei".

Linke und Grüne kritisierten die Nichtberücksichtigung des deutschen Kolonialismus. "Koloniale Gewalt und Rassismus sind Teil der deutschen Geschichte: Wer sie ausblendet, relativiert Verantwortung", kritisierte der Linken-Abgeordnete Vinzenz Glaser. Das neue Gedenkstättenkonzept sei deshalb ein "deutlicher Rückschritt im Verständnis deutscher Erinnerungskultur". 

Der Kolonialismus müsse neben der NS-Terrorherrschaft und die DDR-Diktatur als "dritte Säule der Erinnerungskultur verankert werden – ohne finanzielle Abstriche bei den anderen beiden Säulen", forderte die Grünen-Kulturpolitikerin Marlene Schönberger in der "Welt".

AFP