Hoffnung auf Überlebende nach Erdbeben in Afghanistan schwindet

Zerstörtes Bergdorf im Osten Afghanistans
Zerstörtes Bergdorf im Osten Afghanistans
© AFP
Nach dem schweren Erdbeben mit mehr als 1400 Toten schwindet in Afghanistan die Hoffnung, noch Überlebende in den Trümmern zu finden. In der am schlimmsten betroffenen Provinz Kunar haben Rettungsteams einige Bergdörfer immer noch nicht erreicht, wie der Behördenvertreter Ijas Ulhak Jaad am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP sagte. Einsätze zur Bergung von Verschütteten und zur Versorgung der Überlebenden seien dort noch gar nicht angelaufen.

Das Beben der Stärke 6,0 hatte sich in der Nacht zum Montag in der Nähe der Großstadt Dschalalabad im Osten Afghanistans ereignet. Nach Angaben der Taliban-Regierung vom Mittwoch kamen dabei mindestens 1469 Menschen ums Leben. Mehr als 3500 weitere Menschen wurden verletzt.

Fast 7000 Häuser in den Provinzen Kunar, Nangarhar und Laghman im bergigen Grenzgebiet zu Pakistan wurden den Angaben zufolge vollständig zerstört. In seinem Dorf sei "kein einziges Haus intakt" geblieben, sagte der 56-jährige Omarchan Omari aus Dara-i-Nur in Nangarhar AFP.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind immer noch "viele Menschen in zerstörten Gebäuden eingeschlossen". Die afghanischen Behörden und die UNO gehen daher davon aus, dass die Opferzahl noch weiter steigen wird.

Viele Orte in der Unglücksregion sind weiterhin schwer erreichbar, weil Erdrutsche und Felsstürze die Zufahrtsstraßen blockiert haben. Ein Team von Save the Children musste nach Angaben der  Hilfsorganisation etwa 20 Kilometer zu Fuß laufen, "um durch Felsstürze abgeschnittene Dörfer zu erreichen". Medizinische Geräte zur Versorgung von Verletzten trugen die Helfer dabei auf dem Rücken.

Das Verteidigungsministerium der Taliban-Regierung erklärte, innerhalb von zwei Tagen seien 155 Hubschrauberflüge organisiert worden, um rund 2000 Verletzte und deren Angehörige in Krankenhäuser zu bringen. Im Dorf Masar Dara in Kunar wurde zudem eine kleine mobile Klinik eingerichtet, um Verletzte notdürftig zu versorgen. 

Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, wurden bisher jedoch keine Zelte für Überlebende aufgestellt. Die Bewohner zerstörter Lehm- und Steinhäuser müssen daher im Freien schlafen.

Nach Angaben der Hilfsorganisation ActionAid sind mehr als 12.000 Menschen direkt von dem Erdbeben betroffen. Frauen und Mädchen, die von den radikalislamischen Taliban systematisch diskriminiert und ihrer Rechte beraubt werden, seien in der Notlage besonders gefährdet.

Afghanistan wird häufig von Erdbeben erschüttert, insbesondere am Hindukusch, wo die Eurasische und die Indische Erdplatte aufeinander treffen. Da viele Häuser in dem Land aus Lehmziegeln gebaut sind, richten die Erdstöße oft schwere Schäden an.

Hinzu kommt, dass die humanitäre Lage in Afghanistan infolge der Machtübernahme der Taliban im August 2021 ohnehin katastrophal ist. Der Westen hat seine Hilfen seitdem stark zurückgefahren.

"Dieses Erdbeben hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können", erklärte der Generalsekretär der Internationalen Föderation der Rotkreuz und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC), Jagan Chapagain. Die Katastrophe verursache "nicht nur unmittelbares Leid", sondern verschärfe auch die ohnehin schon schlimme humanitäre Krise in Afghanistan.

Das Welternährungsprogramm (WFP), das sich um Lebensmittel-Hilfen für die Erdbeben-Opfer bemüht, erklärte, da in Afghanistan schon vor dem Beben viele Menschen an Hunger gelitten hätten, sei die "Realität brutal". 

AFP