Swyrydenko erklärte, die Regierung habe Energoatom angewiesen, auch mehrere weitere Spitzenbeamte zu suspendieren. Zuvor hatte die Ministerpräsidentin bereits über die Rücktrittsgesuche Haluschtschenkos und Grintschuks informiert, die vom Parlament noch offiziell bestätigt werden müssen. In ihrer in Onlinediensten verbreiteten Rücktrittserklärung betonte Grintschuk, sie habe nicht gegen das Gesetz verstoßen.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte betont, die beiden Minister könnten nicht im Amt bleiben. Es sei "absolut inakzeptabel, dass es immer noch einige (Korruptions-)Machenschaften im Energiesektor gibt", während Ukrainer täglich mit Stromausfällen durch russische Angriffe konfrontiert seien.
Die Anfang der Woche bekannt gewordenen Vorwürfe konzentrieren sich auf Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit Verträgen, an denen mutmaßlich Energoatom beteiligt war. In den Skandal verstrickt ist den ukrainischen Ermittlern zufolge insbesondere Haluschtschenko. Er hatte das Energieressort im Sommer abgegeben. Am Mittwoch war er zunächst von seinem Posten als Justizminister suspendiert worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er zurück. "Ich werde mich vor Gericht verteidigen", kündigte er an.
Im Mittelpunkt der Affäre steht jedoch ein Vertrauter Selenskyjs, Timur Minditsch. Ihn beschuldigen Ermittler der weitverzweigten Korruption, bei der "etwa 100 Millionen Dollar" (86 Millionen Euro) geflossen seien.
Das Nationale Antikorruptionsbüro (Nabu) hatte am Montag Razzien im Energiesektor vorgenommen. Ihnen waren 15-monatige Ermittlungen vorausgegangen.
Haluschtschenko wird von der Antikorruptions-Staatsanwaltschaft (Sapo) beschuldigt, "persönliche Vorteile" durch Minditsch erhalten zu haben - im Gegenzug für die Kontrolle über die Geldflüsse im Energiesektor.
Ukrainische Medien hatten am Montag berichtet, dass das Nabu im Zuge der Razzien unter anderem die Häuser von Haluschtschenko und Minditsch durchsucht habe. Die Behörde sprach von einer "hochrangigen kriminellen Organisation". Diese habe ein "großangelegtes Korruptionssystem aufgebaut", "um strategische Unternehmen im staatlichen Sektor zu beeinflussen" - darunter Energoatom.
Minditsch hat das Land nach Angaben des Nabu-Chefermittlers Oleksander Abakumo kurz vor den Hausdurchsuchungen verlassen. Dem Staatsanwalt zufolge übte Minditsch "Kontrolle über die Anhäufung, Verteilung und Legalisierung von Geldern aus, die durch kriminelle Handlungen im Energiesektor der Ukraine erlangt wurden".
Er wird zudem verdächtigt, Entscheidungen hochrangiger Regierungsbeamter beeinflusst zu haben, darunter Ex-Verteidigungsminister Rustem Umerow, der mittlerweile den nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat leitet. Ebenfalls zu den Verdächtigen in dem Fall zählt den Behörden zufolge der frühere Vize-Regierungschef Oleksij Tschernyschow.
Selenskyj hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen gegen Mindtisch geäußert, der Miteigentümer der Produktionsfirma Kwartal 95 ist. Die Firma war von Selenskyj gegründet worden, der früher als Komiker und Schauspieler auftrat, bevor er für das Präsidentenamt kandidierte. Swyrydenko kündigte dagegen an, dass ihre Regierung Sanktionen gegen Minditsch und einen weiteren Geschäftsmann vorbereitet habe.
Die Sapo gab am Mittwoch außerdem bekannt, dass mehrere Verdächtige wegen ihrer mutmaßlichen Verwicklung in den Fall in Untersuchungshaft genommen worden seien. Die Oppositionspartei von Ex-Präsidenten Petro Poroschenko forderte derweil den Rücktritt der Regierung.
Korruption und die Zweckentfremdung von Geldern sind ein weitverbreitetes Problem in der Ukraine. Selenskyj war mit dem Ziel angetreten, der Korruption und Veruntreuung von Geldern ein Ende zu setzen - auch mit Blick auf den von Kiew angestrebten EU-Beitritt.
Erst im vergangenen Monat war der ehemalige Leiter des staatlichen Stromnetzes der Ukraine, Wolodymyr Kudrytskyj, wegen des Vorwurfs der Veruntreuung festgenommen worden.
Die Bundesregierung erwartet von der Ukraine eine transparente Aufklärung der Korruptionsvorwürfe. Auswirkungen auf die deutschen Hilfszahlungen an Kiew habe der Skandal derzeit aber nicht, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin. Die Korruptionsvorwürfe im Energiesektor seien Grund zur Sorge - insbesondere, weil der Energiesektor "beträchtliche Unterstützung aus Deutschland" erhalte.
Die Vorwürfe haben in der ukrainischen Bevölkerung Empörung ausgelöst, insbesondere da die Energie-Infrastruktur des Landes seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 von der russischen Armee mit Raketen und Drohnen angegriffen wird. Viele Ukrainer fordern einen besseren Schutz des Netzwerks, gerade jetzt angesichts des nahenden Winters.