Nach umstrittener Wahl in Georgien: Neues Parlament erstmals zusammengekommen

Neues Parlament in Tiflis
Neues Parlament in Tiflis
© AFP
Ungeachtet eines Boykotts der Opposition ist in Georgien das neugewählte Parlament erstmals zusammengetreten. Die Abgeordneten der Regierungspartei Georgischer Traum bestätigten dabei am Montag die Gültigkeit aller Mandate ohne Gegenstimme. Die Opposition wirft der Regierung jedoch Wahlbetrug vor. Auch die pro-europäische Präsidentin Salome Surabischwili nannte die Parlamentssitzung "verfassungswidrig". In der Nacht zuvor hatten Regierungsgegner erneut vor dem Parlament in Tiflis demonstriert.

Der Georgische Traum war schon kurz nach der Parlamentswahl vom 26. Oktober zum Sieger erklärt worden. Mitte November veröffentlichte die Wahlkommission dann das offizielle Endergebnis: Demnach erhielt die Regierungspartei 89 der 150 Parlamentssitze. Die pro-europäische Opposition beschuldigt die Regierungspartei jedoch, den Sieg "gestohlen" zu haben. 

Der konstituierenden Sitzung des Parlaments am Montag blieb die Opposition deshalb aus Protest fern. Die Gültigkeit sämtlicher Mandate wurde dann von den Abgeordneten des Georgischen Traums mit 88 Ja-Stimmen bestätigt. 

Ministerpräsident Irakli Kobachidse soll in den kommenden Tagen erneut zum Regierungschef gewählt werden. Die Opposition wirft ihm vor, eine bloße Marionette des Milliardärs und Gründers des Georgischen Traums, Bidsina Iwanischwili, zu sein. Iwanischwili, Ehrenvorsitzender der Partei, wurde bei der Parlamentssitzung am Montag mit Applaus geehrt. 

Kobachidse ernannte die ehemalige Vorsitzende des mit der EU-Integration beauftragten Parlamentsausschusses, Maka Botschorischwili, zur neuen Außenministerin - was wohl ein Signal an Brüssel sein soll, dass Georgien am Ziel des EU-Beitritts festhält.

Die Opposition beschuldigt die Regierung jedoch, Georgien von der EU zu entfernen und die ehemalige Sowjetrepublik wieder an Russland annähern zu wollen. Das Ziel des EU-Beitritts ist in der georgischen Verfassung verankert. Der Georgische Traum beteuert, die Aufnahme in die Europäische Union weiterhin anzustreben.

Georgien ist seit Dezember 2023 offiziell EU-Beitrittskandidat. Seitdem hat die Moskau-freundliche Regierung aber Gesetze verabschiedet, die in Brüssel große Sorge hervorrufen. Darunter ist ein Gesetz gegen "ausländische Einflussnahme" nach russischem Vorbild und ein weiteres, das aus EU-Sicht sexuelle Minderheiten diskriminiert. Die EU fror deshalb Ende Juni den Beitrittsprozess mit Georgien ein. 

Das neue Parlament ist nach Ansicht von Präsidentin Surabischwili bereits jetzt völlig unglaubwürdig. Der Georgische Traum habe "aus unserem Parlament einem Witz gemacht", schrieb sie am Montag im Onlinedienst X. Dessen erste erste Sitzung nannte sie "verfassungswidrig". Die Legitimität des Parlaments sei durch "massiven Wahlbetrug" untergraben worden, erklärte Surabischwili auf Facebook. 

Die Präsidentin hat Beschwerde beim Verfassungsgericht eingereicht, um das Wahlergebnis annullieren zu lassen. Sie fordert Neuwahlen.

Surabischwili, die 2018 für sechs Jahre gewählt worden war, muss sich demnächst ebenfalls einer Wahl stellen: Es wird erwartet, dass das neue Parlament in den kommenden Tagen ein Datum für die Präsidentschaftswahl festlegt. Erstmals wird dabei das Staatsoberhaupt nicht direkt vom Volk, sondern indirekt über Wahlleute bestimmt. 

Vor dem Parlament hatten Regierungsgegner in der Nacht zum Montag Zelte und Verkehrsblockaden errichtet. "Ab heute hat Georgien kein legitimes Parlament mehr", sagte der 27-jährige Demonstrant Giorgi Nokadadse der Nachrichtenagentur AFP. Der Georgische Traum habe sich an die Macht geputscht, kritisierte er. 

Seit der Parlamentswahl waren wiederholt tausende Regierungskritiker auf die Straße gegangen. Auch  internationale Beobachter hatten Unregelmäßigkeiten bei dem Urnengang ausgemacht, die EU forderte eine Untersuchung der Vorwürfe. Moskau bestritt jegliche Einmischung. 

AFP