Gleichzeitig bestritt Reuß den Vorwurf der Bundesanwaltschaft gegen die Angeklagten, es habe gewaltsame Umsturzpläne innerhalb der Gruppierung gegeben. Zu einer laut Anklage geplanten Erstürmung des Reichstags habe er keine Informationen gehabt. Dazu habe keine reale Planung bestanden, sagte der 74-Jährige.
Es stelle sich durch dieses Nichtwissen für ihn zudem die Frage, wie er Anführer des Netzwerks gewesen sein solle. Er habe zu keinem Zeitpunkt extremistische Ziele verfolgt oder die Bildung einer terroristischen Vereinigung veranlasst. "Gewalt war zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben eine Option", sagte er.
Reuß und weitere führende Mitglieder des mutmaßlichen Reichsbürgernetzwerks waren vor drei Jahren im Dezember festgenommen worden. Gegen die Verdächtigen laufen Prozesse vor den Oberlandesgerichten in Frankfurt, Stuttgart und München.
In dem seit Mai 2024 laufenden Frankfurter Verfahren sagte Reuß nun zu den Vorwürfen gegen sich aus. Er hatte bereits kurz nach Prozessbeginn eine erste Aussage gemacht, sich dabei aber auf Angaben zu seiner Person beschränkt.
Reuß sagte, er sei 2020 von "sächsischen Patrioten" angesprochen worden. Diese seien der Auffassung gewesen, er allein könne aufgrund seiner adligen Herkunft einen "Friedensvertrag" unterzeichnen.
Dieser "Friedensvertrag" ist einer der zentralen Bausteine der Anklage der Bundesanwaltschaft. Demnach wollte das Netzwerk mit einem Angriff auf den Bundestag und der Festnahme von Abgeordneten einen Umsturz erreichen. Anschließend sollte eine "Übergangsregierung" eingesetzt werden, Reuß dann als Adliger einen "Friedensvertrag" unterzeichnen und provisorisches Staatsoberhaupt werden.
Reuß sagte, fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sei ein solcher "Friedensschluss" in der derzeitigen politischen Weltordnung "nicht mehr notwendig und irreal". Einen angeklagten Sturm auf den Reichstag hätte er "für idiotisch" gehalten, er habe aber auch nie von solchen Plänen gehört.
Er selbst habe einen gewaltsamen Umsturz weder vorbereitet noch geplant. Dass er sich dennoch mit der Gruppe in Verbindung gesetzt habe, sei "Neugier" gewesen. Es sei ihm aber schon vor seiner Festnahme klar geworden, dass er und Andere belogen worden seien. "Durch diese Erkenntnisse gingen keine Aktivitäten mehr von mir aus", sagte Reuß.
In den sozialen Medien sei er auf Desinformationen zu einer angeblich bevorstehenden militärischen Fremdbeherrschung Deutschlands und angeblichen systematischen Kindesmissbrauch in unterirdischen Militärstationen hereingefallen. Deswegen habe er den Kontakt zur sogenannten Erdallianz gesucht, einem angeblich militärischen Geheimbündnis, von dem er geglaubt habe, dass dieses eingreifen werde. Bei der Erdallianz handelt es sich um eine Verschwörungsideologie.
Von den anschließenden Treffen mit einem Vertreter der angeblichen Erdallianz sei er enttäuscht gewesen, sagte Reuß. Mittlerweile habe er sich von seinen früheren Überzeugungen distanziert. Bei der Verlesung seiner Erklärung brach dem 74-Jährigen mehrfach die Stimme. Sein Verteidiger kündigte an, dass Reuß seine Aussage am 17. Dezember und im kommenden Jahr fortsetzen wolle.
