Verfassungsschutzbericht: Zahl der Extremisten und Gewaltbereiten 2024 gestiegen

Reichs- und DDR-Flaggen bei rechtextremer Demonstration
Reichs- und DDR-Flaggen bei rechtextremer Demonstration
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Die Zahl der verfassungsfeindlichen Extremisten ist im vergangenen Jahr erneut angestiegen - das gilt sowohl für den Rechtsextremismus als auch für den Linksextremismus und den Islamismus. "Die verfassungsmäßige Ordnung Deutschlands ist fast täglich Angriffen ausgesetzt", erklärte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstag zur Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichts. Dazu zählten neben Gewalttaten und Bedrohungen auch Sabotage, Spionage und Desinformation durch ausländische Geheimdienste.

In dem Bericht bewertet das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verfassungsfeindliche Entwicklungen sowie extremistische Gruppierungen. Es ermittelt unter anderem deren "Personenpotenzial" sowie die Anzahl gewaltorientierter Szenemitglieder. Demnach umfasste das Potenzial im Bereich Rechtsextremismus und rechtsextremistischer Terrorismus Ende vergangenen Jahres 50.250 Menschen - nach 40.600 ein Jahr zuvor. Dobrindt sprach am Dienstag von einer "erschreckenden Zahl". Die Zahl der als gewaltorientierten Rechtsextremisten wird auf 15.300 geschätzt, nach 14.500 Ende 2023.

In das Potenzial wird auch wie bereits im vergangenen Verfassungsschutzbericht die als Verdachtsfall eingestufte AfD einbezogen. Der Bericht geht angesichts der gestiegenen Mitgliederzahl und angesichts "fortgesetzter verfassungsschutzrelevanter Äußerungen und Positionierungen" im Berichtsjahr folglich davon aus, dass auch hier das Extremismuspotenzial gestiegen ist. Von den 50.250 Menschen mit Rechtsextremismuspotenzial wurden 20.000 als AfD-Anhänger gezählt. Dies ist eine Verdopplung innerhalb von zwei Jahren.

Dem Bericht zufolge ergibt sich zudem im Bereich Islamismus und islamistischer Terrorismus ein Potenzial von 28.280 Menschen, nach 27.200 im vergangenen Bericht. Davon werden etwa 9540 Menschen als gewaltorientiert eingeschätzt. Hinzugezählt werden in dem Bereich etwa Organisationen wie der Islamische Staat, Ableger von Al Kaida sowie die Hamas und die Hisbollah.

Im Bereich Linksextremismus stieg das Potenzial dem Verfassungsschutzbericht zufolge im vergangenen Jahr auf 38.000 Menschen an, nach 37.000 im Jahr zuvor. Unverändert sind demnach etwa 11.200 Szenemitglieder gewaltorientiert.

Im Jahr 2024 wurde ein Höchststand von 57.701 Straftaten mit extremistischem Hintergrund registriert, im Vorjahr waren es noch 39.433. 2024 waren darunter 2976 Gewalttaten, 2023 waren es noch 2761. Wie aus einer Statistik des Bundeskriminalamts bereits im Mai hervorging, war 2024 die Gesamtzahl der politisch motivierten Straftaten um gut 40 Prozent auf die Rekordzahl seit Datenerhebung von 84.172 gestiegen; dazu zählten etwa auch Beleidigungen und Sachbeschädigungen. 

Ein besonderes Augenmerk richtet der Verfassungsschutzbericht auch auf den erst seit Ende 2023 beobachteten zunehmenden Einsatz sogenannter Low-Level-Agenten. Das seien Menschen, die von russischen Nachrichtendiensten zur kurzfristigen Erfüllung von Aufträgen meist über das Internet angeworben und geführt würden. Sie gehören demnach aber nicht selbst den Nachrichtendiensten an.

Deutschland bleibe auch weiterhin ein zentrales Ziel von Cyberangriffen und Spionage, wie der Bericht betont. Hauptakteure seien hier "unverändert" neben Russland auch China, der Iran und die Türkei. Dabei bewegten sich vor allem die Aktivitäten russischer Dienste "seit vielen Jahren auf sehr hohem Niveau". Es gehe um die "gesamte Bandbreite von Spionage, Sabotage und Einflussnahme", sagte BfV-Vizepräsident Sinan Selen.

Minister Dobrindt mahnte bei der Vorstellung des Berichts eine hohe Wachsamkeit der Behörden an. Es sei "wichtig, dass unsere Sicherheitsbehörden wachsam und wehrhaft reagieren können", sagte er. "Wir rüsten uns gegenüber den steigenden Bedrohungen sowohl auf der Straße als auch im Netz." Auf Angriffe und Aktivitäten von Extremisten sei eine "klare und harte Antwort unserer Politik" nötig.

AFP