"Die ganze europäische Union hat die Folgen eines Bürgerkriegs zu spüren bekommen", sagte Wadephul weiter mit Blick auf den 2011 begonnenen Konflikt in Syrien mit Hunderttausenden Toten und Millionen Menschen, die in der Folge das Land verließen. "Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass nicht nur die Wunden verheilen, sondern dass auch die Gefahr gebannt wird, dass so ein Bürgerkrieg wieder ausbrechen kann", fügte der Minister an. Syrien sei eine "Brücke" zwischen der Golfregion und dem Mittelmeerraum.
Übergangspräsident al-Scharaa hatte Wadephul und eine deutsche Delegation in der syrischen Hauptstadt für Gespräche über bilaterale Beziehungen und "Wege, die Zusammenarbeit in politischen, wirtschaftlichen und humanitären Bereichen zu verbessern" empfangen, wie das Präsidialamt in Damaskus mitteilte.
Wadephul unterstrich nach dem Treffen die finanzielle Unterstützung, die Deutschland für die syrische Zivilbevölkerung geleistet habe und sprach von insgesamt "13 Milliarden Euro an humanitärer Unterstützung". Zugleich hätten sich deutsche Bundesregierungen während des Bürgerkriegs im Land nie auf "Avancen von Diktator Assad" eingelassen.
Nach dem Machtwechsel in Damaskus seien deutsche Unternehmen nun grundsätzlich bereit, im Land zu investieren, sie müssten hierfür jedoch Rechtssicherheit erwarten können. Dies habe er auch gegenüber al-Scharaa betont. "Noch in diesem Jahr" solle zudem die erste Sitzung des im Juli gegründeten deutsch-syrischen Wirtschaftsrats stattfinden.
Zurückhaltend äußerte Wadephul sich zur möglichen Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus Deutschland. Diese sei "zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich", da in Syrien "sehr viel an Infrastruktur" zerstört sei. Es sei aber "das verständliche Interesse der syrischen Regierung, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass möglichst viele Syrerinnen und Syrer zurückkehren".
Mit Blick auf die Abschiebung syrischer Straftäter sprach der Außenminister von "ganz wenigen Ausnahmefällen", die "natürlich" auch durch eine Rückführung nach Syrien zu lösen seien. Hierzu stehe das Auswärtige Amt mit dem syrischen Außenministerium im Austausch.
Mit Blick auf die politische Lage in Syrien sprach Wadephul von "ersten Schritten" in Richtung eines "inklusiveren politischen Systems". Es seien "alle Beteiligten" aufgefordert, "Kompromissbereitschaft zu zeigen".
Die neue Regierung in Damaskus steht im Verdacht, Minderheiten wie Alawiten, Drusen oder Kurden nicht ausreichend zu schützen. Bei einem kürzlich als undemokratisch kritisierten Auswahlverfahren zur Bestimmung der Mitglieder des ersten Parlaments nach dem Sturz Assads durften beispielsweise von ethnischen Minderheiten dominierte Regionen nicht teilnehmen.
Zur Politik der Regierung um al-Scharaa sagte Wadephul: "Wir haben ein grundsätzliches Vertrauen in den neuen syrischen Weg, inklusiv voranzugehen. Wir setzen darauf, dass dieser fortgesetzt wird."
Vor seiner Ankunft in Syrien hatte Wadephul auf die "enormen Herausforderungen" für das Land verwiesen. Hierfür sei eine Regierung nötig, die "allen Bürgerinnen und Bürgern, unabhängig von Geschlecht, religiöser, ethnischer oder gesellschaftlicher Zugehörigkeit, ein Leben in Würde und Sicherheit garantiert", hob er hervor. "Das ist die Voraussetzung dafür, dass jetzt das Fundament für ein freies, sicheres, und stabiles Syrien entstehen kann." Deutschland sei bereit, an diesem Fundament mitzuarbeiten.
Syrien ist die zweite Station von Wadephuls Reise in den Nahen Osten. Zuvor hatte er bereits politische Gespräche in Jordanien geführt. Am Freitag trifft er Regierungsvertreter im Libanon. Zum Abschluss seiner Reise nimmt er am Samstag an einer Sicherheitskonferenz in Bahrein teil.
Der derzeitige syrische Übergangspräsident al-Scharaa war im Dezember 2024 nach jahrelangem Bürgerkrieg an der Spitze der islamistischen HTS-Miliz an die Macht gekommen. Damit endete die jahrelange weitgehende Isolation Syriens unter Diktator Baschar al-Assad.
Nach Assads Sturz hatte bereits Wadephuls Amtsvorgängerin Annalena Baerbock (Grüne) Syrien besucht. Die Bundesregierung mahnte bei der neuen Führung aber auch die Einhaltung der Menschenrechte an.