Diesen Anstieg sieht der Minister als Ausdruck der zunehmenden "Polarisierung unserer Gesellschaft", aber auch anderer Phänomene wie des gestiegenen Antisemitismus. "Die größte Gefährdung für die Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus - das ist objektiv so", sagte Dobrindt.
Der neue Höchstwert bedeutet insgesamt mehr als eine Verdopplung der Fallzahlen in den vergangenen fünf Jahren. Besonders stark war der Anstieg im vergangenen Jahr bei rechtsextremistisch motivierten Straftaten (plus 48 Prozent). Auf diesen Bereich entfällt nun rund jede zweite politisch motivierte Straftat (42.788). Dobrindt kündigte vor diesem Hintergrund an, die Regierung werde "den Kampf gegen Rechtsextremismus und politisch von rechts motivierte Straftaten weiter fortsetzen".
Bei Straftaten, die die Behörden unter der Rubrik "ausländische Ideologie" zusammenfassen, stieg die Zahl um 42 Prozent auf 7343. Die Zahl der religiös motivierten Straftaten stieg der Statistik zufolge um 29 Prozent auf 1877 und die der linksextremistisch motivierten Straftaten um 28 Prozent auf 9971.
Sonstigen Bereichen zugeordnet werden 22.193 politisch motivierte Straftaten. Hierunter fallen laut BKA-Chef Holger Münch etwa Angriffe auf Wahlkämpfende oder Politikerinnen und Politiker, die nicht eindeutig einer politischen Richtung zuzuordnen sind.
Auf 17.992 Taten fast verdoppelt haben sich in einem Jahr die Fälle von Sachbeschädigungen. Ebenso stark zugenommen haben Propagandadelikte um knapp 57 Prozent auf 31.229 Fälle. Bei Beleidigungen (9969 Fälle) und Volksverhetzungen (9122 Fälle) stiegen die Zahlen um jeweils rund 19 Prozent. Die Fälle der politisch motivierten Gewalttaten stiegen um rund 15 Prozent auf 4107, darunter waren 2628 Körperverletzungen.
BKA-Chef Holger Münch sieht in den Zahlen einen "langfristigen Trend". So schlage weiterhin der Nahostkonflikt stark zu Buche, der sich in den Zahlen der Vorjahresstatistik nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 nur in knapp drei Monaten niedergeschlagen hatte.
Auch die Europawahl, die drei Landtagswahlen im Osten sowie diverse Kommunalwahlen hätten zu einem Anstieg geführt, sagte Münch. Allein gut 8000 Straftaten gegen Wahlkämpfende seien registriert worden - darunter gut die Hälfte Beleidigungen.
Minister Dobrindt zeigte sich insbesondere über den wachsenden Antisemitismus besorgt. "Egal woher Antisemitismus kommt: Er ist nicht zu akzeptieren", sagte Dobrindt. Bei ausländischen Tätern müsse hier künftig ein "besonders schweres Ausreiseinteresse" gelten, sodass schnellerer Abschiebungen möglich sind. "Wir dulden importierten Antisemitismus auf diese Weise nicht", sagte Dobrindt. Münch geht davon aus, dass "jüdische Einrichtungen und Personen auch zukünftig im Zielspektrum sind, sowohl rechter Agitation als eben auch aus anderen Richtungen".
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, forderte, der Staat müsse "weiterhin konsequent gegen islamistische Ideologen vorgehen". Die Gesellschaft müsse zudem "wachrütteln", dass rund die Hälfte aller politisch motivierter Straftaten dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sei. "Wir weisen seit Langem darauf hin, dass die AfD als politischer Arm des Rechtsextremismus unsere Republik gefährdet", erklärte Schuster.
Grünen-Ko-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, die AfD trage "Verantwortung für die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas". Linken-Ko-Chef Jan van Aken machte ebenfalls "die Faschisten von der AfD, die Hass gegen Migranten, Juden und Andersdenkende schüren", verantwortlich. AfD-Chefin Alice Weidel verurteilte "extremistische Straftaten, egal von welcher Seite".
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sprach angesichts der hohen Zahlen von "gezielten Angriffen auf unsere offene Gesellschaft, die wir nicht hinnehmen dürfen und wo der Rechtsstaat auch mit aller Härte entgegentreten muss".
Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, wies daraufhin, dass mehr als 2000 Staatsanwälte und Strafrichter in Deutschland fehlten. "Steuert die Politik hier nicht um, wird die Strafjustiz zum Flaschenhals bei der Kriminalitätsbekämpfung", erklärte Rebehn.