"Freistaat Christiania" Das Ende der "Pusher Street"

Die Hasch-Händler im Kopenhagener "Freistaat Christiania" haben ihre Verkaufsstände eigenhändig abgerissen. Sie sind damit der Polizei zuvorgekommen. Die "Christianitter" wollen damit das Ende der "Hippie-Republik" verhindern.

Die Hasch-Händler im Kopenhagener "Freistaat Christiania" haben mit dem eigenhändigen Abriss ihrer Verkaufsbuden auch die Polizei komplett überrascht. "Ich dachte, wir würden das mit Bulldozern, Rammböcken und Motorsägen tun müssen!", bekannte Kopenhagens Polizeichefin Hanne Bech Hansen am Montag in "Jyllands- Posten" und freute sich, dass es nun nicht die befürchteten Straßenkämpfe geben wird. Auch Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen erklärte postwendend, er heiße den Abriss der "Pusher Street" mit ihren 30 Mini-Läden "absolut willkommen".

Legendäre Hippie-Republik

Allerdings, so fügte der rechtsorientierte Regierungschef hinzu, ändere das nichts an der Absicht der Regierung, das seit 32 Jahren besetzt gehaltene Kasernengelände mitten in der dänischen Hauptstadt in einen "normalen Stadtteil" umzuwandeln. Genau diese vor zwei Jahren regierungsamtlich an die knapp 900 Bewohner der legendären "Hippie-Republik" gerichtete Kampfansage war Auslöser für die Abbruchaktion. "Die Pusher Street wurde immer als wichtigstes Argument gegen die Existenz von Christiania vorgebracht, und deshalb haben wir sie abgerissen", erklärte Jon, Sprecher der sich selbst verwaltenden "Christianitter".

Auch vielen Bewohnern mit den alten Christiania-Idealen im Herzen und Freunden außerhalb war der fest in Rockerhand befindliche Handel mit Haschisch und Marihuana ein heftiger Stein des Anstoßes. Den zeitweise florierenden Verkauf von "harten Drogen" hatten sie in den Blütezeit des Freistaates 1979 noch aus eigener Kraft unterbinden können. Die Haschisch-Dealer hießen sie erst als Sendboten einer "weicheren" und aus Christiania-Sicht akzeptablen Drogenkultur willkommen und taten sich dann schwer gegen die zunehmende Vorherrschaft gut organisierter Rockerbanden beim illegalen Millionengeschäft. Das wiederum hielt eine sozialdemokratisch geführte Regierung 1997 nicht davon ab, nach 26 Jahren völliger Illegalität für Christiania mit den Bewohnern Regeln über die Nutzungsbedingungen zu vereinbaren.

Touristenattraktion

Dass der Drogenverkauf nun nicht mehr offen in der "Pusher Street", sondern verdeckt und zerstreut abgewickelt wird, könnte neben den Konsumenten auch die Kopenhagener Fremdenverkehrsbranche bedauern. Christiania hat sich mit seiner Mischung aus Hippie-Romantik, alternativen Betrieben, primitiv-gemütlicher Baukultur und den wild bis verkommen wirkenden Drogendealern zur beliebtesten Touristenattraktion von Dänemarks Metropole nach der Kleinen Meerjungfrau und dem Tivoli entwickelt.

Touristen bringen Geld, aber keine Wählerstimmen. So erwartet auch Christiania-Sprecher Jon, dass Rasmussen an der Strategie einer "Total-Sanierung" des 34 Hektar großen Geländes festhalten wird. Die Regierung setzt hier auf Städteplaner statt auf Polizeiknüppel: Bei einem Wettbewerb sind die besten Ideen für eine planvolle Umgestaltung des Geländes gefragt, für das schon 300 Millionen Kronen (45 Millionen Euro) bereit stehen. Zahlreiche führende Kopenhagener Architekten haben aber ihre Mitwirkung verweigert, weil sie finden, dass Christiania weiter ein Platz für alternative Lebensformen sein soll.

DPA
Thomas Borchert

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