Eine junge Frau ist in Köln nach einer mutmaßlichen Vergewaltigung an zwei katholischen Krankenhäusern abgewiesen worden. Die 25-Jährige sollte dort gynäkologisch untersucht werden, um Spermien für den Fall zu sichern, dass sie gegen einen Täter gerichtlich vorgehen würde. Die beiden Kliniken lehnten dies aber ab. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium prüft nun, ob die Kliniken gegen Gesetze verstoßen haben.
Die Kliniken begründeten die Ablehnung damit, dass eine solche Untersuchung immer auch mit einem Gespräch verbunden sei, in dem auf die "Pille danach" hingewiesen werde. Das aber sei katholischen Häusern untersagt. Sowohl die Krankenhaus-Leitung als auch das Erzbistum Köln bezeichneten die Ablehnung am Donnerstag als "Missverständnis" und entschuldigten sich dafür.
Von der deutschen Presse hagelt es Kritik. Die Kliniken hätten der Frau zumindest erklären müssen, wie sie an die "Pille danach" kommt, heißt es in den Medien. Eine Presseschau.
"Mitteldeutsche Zeitung" (Halle)
Anerkennung verdient, wer das hohe Gut des Lebens achtet und ungeborene Kinder schützen will. Gut, dass die Kirche dafür eintritt. Etwa 100 000 Abtreibungen in Deutschland pro Jahr sind eine Zahl, die beunruhigt. Dass die Kirche einer vergewaltigten Frau aber sogar die "Pille danach" samt Information hierüber verweigert wissen will, dies ist mindestens so verstörend wie die Schocker-Bilder abgetriebener Föten. Die Kirche lehrt: Jedes Kind ist Frucht der Liebe Gottes und - im besten Fall - der Liebe zwischen Mann und Frau. Wie das mit Vergewaltigung vereinbar sein soll, bleibt das Geheimnis einer zölibatären Priesterkaste, ihrer Moralisten und Juristen. Sie reiten Prinzipien und vergessen die Menschen.
"Kölner Stadtanzeiger"
Die Klinikverantwortlichen im Kölner Fall sprechen jetzt von einem fatalen Missverständnis ihrer Angestellten. Das lässt zumindest ahnen, wie der Druck des kirchlichen Arbeitgebers natürliche oder professionelle Reflexe ausschaltet. Ein Arzt ist dafür da, zu helfen, nicht seinen Arbeitsvertrag herunterzubeten. Und wenn er der vergewaltigten Frau die "Pille danach" - aus Überzeugung oder zum Erhalt seines Jobs - schon nicht selbst verschreibt oder verabreicht, so muss er sie doch behandeln, ihr sagen, was es mit der "Pille danach" auf sich hat und wie sie das Präparat bekommt. Das ist das Mindeste, was Staat und Gesellschaft auch in einem kirchlichen Betrieb mit "Tendenzschutz" erwarten dürfen und verlangen müssen.
"Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (Essen)
Ärzte sollen helfen und heilen. Das ist kein altmodisches hippokratisches Verständnis, sondern ihre Aufgabe. Einen Monat, nachdem zwei katholische Kliniken ein Vergewaltigungsopfer abwiesen, bestätigt ihre Leitung schließlich genau das: Man hätte helfen müssen. Alles nur ein Missverständnis? Woher kommt dann die Ablehnung gleich zweier Ärzte, unabhängig voneinander, mit derselben Begründung? Woher kommt ihre Angst um den Arbeitsplatz? Warum verfasste die neue Haus-Ethikerin als eine ihrer ersten Amtshandlungen eine "Stellungnahme" zum Umgang mit Opfern sexueller Gewalt, aus der aber niemand eine Dienstanweisung machte? Die Kirche ist in Köln einmal mehr gescheitert an ihrer eigenen Moral. Ihre Lehre, ein Kind sei die gottgewollte Frucht der Liebe, ist schlicht falsch im Falle einer Vergewaltigung, von der neben Verletzungen möglicherweise eine Schwangerschaft bleibt. Den betroffenen Frauen Hilfe in Form eines Medikaments zu versagen, das solche Folgen roher Gewalt im ersten Keim erstickt, ist unchristlich. Falls es hier wirklich nur um die "Pille danach" ging.
"Neue Westfälische" (Bielefeld)
Der Hinweis auf das finstere Mittelalter erscheint in einem solchen Fall durchaus berechtigt. Zwar handelt es sich hier offenbar um einen Einzelfall. Denn an fast allen katholischen Kliniken kommen die Ärzte ihren Pflichten nach und helfen in Not geratenen Frauen, die vergewaltigt oder misshandelt worden sind. Doch auch diese Mediziner geraten in Gewissenskonflikte, wenn sie die "Pille danach" verschreiben, zu Abtreibungen raten oder diese sogar vornehmen. Das verbietet ihnen der katholische Kodex. Der Fall von Köln zeigt, zu welch schrecklichen Auswüchsen er in der Praxis führen kann.
"Mitteldeutsche Zeitung" (Halle)
Anerkennung verdient, wer das hohe Gut des Lebens achtet und ungeborene Kinder schützen will. Gut, dass die Kirche dafür eintritt. Etwa 100 000 Abtreibungen in Deutschland pro Jahr sind eine Zahl, die beunruhigt. Dass die Kirche einer vergewaltigten Frau aber sogar die "Pille danach" samt Information hierüber verweigert wissen will, dies ist mindestens so verstörend wie die Schocker-Bilder abgetriebener Föten. Die Kirche lehrt: Jedes Kind ist Frucht der Liebe Gottes und - im besten Fall - der Liebe zwischen Mann und Frau. Wie das mit Vergewaltigung vereinbar sein soll, bleibt das Geheimnis einer zölibatären Priesterkaste, ihrer Moralisten und Juristen. Sie reiten Prinzipien und vergessen die Menschen.
"Westdeutsche Zeitung" (Düsseldorf)
Gerade in solchen sensiblen Fällen wie bei einer Vergewaltigung muss das Wohl der Patientin an erster Stelle stehen. Es kann nicht sein, dass einem traumatisierten Gewaltopfer zugemutet wird, eine weitere Klinik aufzusuchen, weil ihm sonst nicht geholfen wird. Natürlich muss man auch die Glaubensgrundsätze der katholischen Kirche respektieren. Und für sie beginnt das Leben eines Menschen mit der Zeugung. Infolgedessen verstößt eine Abtreibung gegen das Gebot "Du sollst nicht töten". Folglich muss man sich die Frage stellen, ob die katholische Kirche überhaupt noch Träger eines allgemeinen Krankenhauses sein kann, wenn sie keine umfassende Versorgung anbieten kann, weil das gegen ihre Glaubensgrundsätze verstößt.
"Berliner Zeitung"
Zwei katholische Krankenhäuser haben einer vergewaltigten Frau nicht nur ein Beratungsgespräch und die von der Notärztin verschriebene "Pille danach" verweigert, sondern auch eine Sicherung von Tatspuren. Zur Begründung verwiesen sie auf eine Vereinbarung mit dem Kölner Kardinal. Dessen Sprecher legt Wert auf die Feststellung, verboten sei den Kliniken nur die Ausgabe der Pille, erlaubt hingegen die Spurensicherung. Mit anderen Worten: An der Überführung eines Vergewaltigers dürfen sich katholische Kliniken äußerstenfalls beteiligen, Hilfe für das Vergewaltigungsopfer hat aus moraltheologischen Gründen hingegen außer Betracht zu bleiben. Sollte der Fortbestand der katholischen Kirche wirklich von gelebter Barmherzigkeit abhängen, ist mit ihrem Ableben stündlich zu rechnen.