Bundesrechnungshof Tütenkleben und andere Ausfälle

Ausgerechnet das älteste Gewerbe der Welt könnte sich als Einnahmequelle entpuppen - wenn die Politik nur mitspiele. Das hat der Bundesrechnungshof ermittelt und weitere "Bemerkungen" über unnötige Ausgaben und verpasste Einnahmen aufgelistet.

Wenn der Präsident des Bundesrechnungshofs seine "haarsträubendsten Fälle" nennen soll, fallen Professor Dieter Engels "die eher kleinen Dinge" ein: Unterlegscheiben, Munitionsdepots, Ferienwohnungen und üppig ausgestattete Büros. Im Gegensatz zu maroden Strukturen sorgen die kleinen Fälle auch eher für Schlagzeilen.

So haben es gewöhnliche Unterlegscheiben, wie sie zu Schrauben und Muttern gehören, in die "Bemerkungen 2003" des Rechnungshofs geschafft. Weil sie in zu großen Gebinden geliefert wurden, tüteten die Soldaten sie in zum Teil selbst gefertigte Kleinverpackungen um. "So füllten Mitarbeiter der Bundeswehr Tausende Unterlegscheiben zu je 100 Stück in Plastiktütchen. Anschließend schütteten die verbrauchenden Truppenteile die Unterlegscheiben wegen des dortigen hohen Verbrauchs wieder zusammen", heißt es in dem Jahresbericht.

"Sechsjahresbedarf an unterkalibrigen Übungspatronen"

Auch wegen der Munitionslagerung stehen Engels die Haare zu Berge. Beispielsweise wurde für Panzerfäuste aus DDR-Beständen, die seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr benutzt wurden, noch im Jahr 1996 ein Sechsjahresbedarf an unterkalibrigen Übungspatronen beschafft, so dass Anfang 2002 "ein Gesamtvorrat für zehn Jahre in den Depots lag, gleich bleibenden Verbrauch vorausgesetzt".

Wer allerdings die Bundeswehr als schlimmsten Verschwender der Nation sehe, der liege falsch, sagte Engels. In seinem Hause werde das Verteidigungsministerium von sechs Abteilungen geprüft, die übrigen Ministerien nur von jeweils einer Abteilung. Dieses Verhältnis schlage sich in den Ergebnissen nieder.

"Haarsträubend" ist für den Präsidenten deshalb auch, was am Robert-Koch-Institut geschah, dem Nachfolger des 1994 aufgelösten Bundesgesundheitsamtes. Im Zusammenhang mit dem Bonn/Berlin-Umzug ließ das Berliner Institut seinen Leitungsbereich umbauen und neu ausstatten. Rund 750.000 Euro kostete die Maßnahme, die gleich vier Schönheitsfehler aufwies: Der Auftrag wurde ohne Ausschreibung an einen Architekten frei vergeben. Im Haushaltsplan waren für diesen Zweck keine Mittel veranschlagt. Der Stellenplan enthielt überhaupt nicht die notwendigen Planstellen für den Leitungsbereich. Und das Institut zahlte aus einem dafür nicht vorgesehenen Titel.

Ferienwohnungen im Visier

Auch Ferienwohnungen ziehen die Aufmerksamkeit der Rechnungsprüfer auf sich, wenn es sich ursprünglich um eine mit staatlichen Mitteln gebaute Tagungsstätte handelt. Seit Jahren wird sie nun überwiegend an Urlauber vermietet. Die Einnahmen fließen nicht aber an den Bund. Die zuständige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, seit 2001 wiederholt auf den Missstand hingewiesen, blieb laut Bericht untätig.

Bei den Zuwendungen werde in allen Ministerien die Kontrolle nicht ernst genug genommen, kritisierte Engels. Der Verbleib von bis zu 96 Prozent der Summen werde nicht kontrolliert. Wenn es um Steuerableitung aus den Ländern und deren Überwachung gehe, müsse man außerdem die Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums "zum Jagen tragen".

Zu politischen Entscheidungen nehmen die Rechnungsprüfer nur Stellung, wenn sie deren Auswirkungen prüfen. Deshalb sagte Engels auf die Frage, was er vom Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004 halte: "Wir sind nicht die sachverständigen Weisen." Aber er setzte hinter Eichels Maßnahme zur Konjunkturbelebung ein "dickes Fragezeichen". Das gilt auch für die Haushaltsplanung des Finanzministers: "Wir haben viele, viele Fragezeichen", erklärte der Präsident.

Rotlichtmilieu zur Kasse bitten

Engels zeigte auch auf, wo Eichel kräftig abkassieren könnte, wenn die Steuern endlich eingetrieben würden: im Rotlichtmilieu. Den Finanzbehörden gelinge es bis auf wenige Ausnahmen nicht, die in Deutschland tätigen Prostituierten und Zuhälter steuerlich zu erfassen. Der Bundesrechnungshof schätze die dadurch bedingten Steuerausfälle auf mehr als zwei Milliarden Euro jährlich.

DPA
Vera Hella Fröhlich

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