Wer an Exorzismus denkt, hat häufig schnell die Bilder vor Augen, die Hollywood und etliche Horror-Filme daraus gemacht haben: Ein Priester mit Kreuz und Weihwasser bewaffnet, ein Besessener an ein Bett gefesselt, der versucht um sich zu schlagen, immer wieder verkrampft bei den lateinischen Gebeten des Geistlichen. Schreie, Flüche, Beleidigungen – so lange, bis der Priester letztlich den Teufel mit Hilfe seines Glaubens besiegt – und der Gescholtene wieder zur Ruhe kommt.
So viel zu dem, was die Popkultur aus Teufelsaustreibungen gemacht hat: Der Exorzismus heruntergebrochen auf den Kampf Priester gegen Dämon – gut gegen böse. Eine Praktik, die aus der Zeit gefallen scheint. Muss es ihn wirklich geben, den Exorzisten, der Besessene vom Teufel befreit? Geht man nach einigen Geistlichen, dann offenbar schon. Nicht umsonst hat die Internationale Vereinigung der Exorzisten einen neuen Präsidenten gewählt.
Weltexorzistenvereinigung zählt rund 900 aktive Exorzisten und Hilfsexorzisten
Der tschechische Priester Karel Orlita übernimmt künftig den Vorsitz des Verbands. Am Sonntag votierten insgesamt 203 Priester und 100 Hilfsexorzisten aus der ganzen Welt auf ihrer 14. internationalen Tagung für den 53-Jährigen.
Der Weltverband ist der einzige seiner Art, der vom Vatikan anerkannt ist. Rund 900 aktive Exorzisten und Hilfsexorzisten gehören ihm demnach an. Mehr als die Hälfte von ihnen mit Sitz in den USA, einige aber auch auf dem afrikanischen Kontinent, in Mexiko oder in der Tschechischen Republik.
Wie das katholische Portal "Domradio.de" berichtet, erklärte Orlita, um ein Exorzist zu sein, genüge es nicht, eine gute theologische Ausbildung zu haben und ein guter Priester zu sein", es brauche "noch etwas mehr".
Beim Exorzismus gehe es darum, "die Qualität des christlichen Lebens zu verbessern." Manche Gläubige wendeten sich dagegen an Exorzisten "als wären sie katholische Zauberer", so Orlita.
Exorzismus ist die Bitte an Gott, Menschen von der Macht des Bösen zu befreien
Grundsätzlich versteht die Katholische Kirche unter einem Exorzismus die Bitte an Gott, den Menschen von der Macht des Bösen zu befreien. Dazu zählt auch die rituelle Vertreibung böser Mächte und Geister aus Lebewesen oder Gegenständen – Praktiken, die es auch in anderen Glaubensgemeinschaften oder Kulturen gibt.
Wie genau ein Exorzismus durchgeführt werden muss, hielt der Vatikan 1614 im sogenannten "Rituale Romanum" fest. Die Praktiken waren angelehnt an das Neue Testament und den darin beschriebenen Dämonenaustreibungen, die Jesus Christus vorgenommen haben soll.
Todesfälle wie der von Anneliese Michel warfen schlechtes Licht auf Riten der Katholischen Kirche
1999 überarbeitete die römisch-katholische Kirche ihre Statuten zu Exorzismen. Ein Grund hierfür war mutmaßlich auch der Fall von Anneliese Michel. Die Studentin der Religionspädagogik aus Klingenberg bei Aschaffenburg starb 1976 an extremer Unterernährung. In den Monaten vor ihrem Tod hatte ein Priester insgesamt 67 mal einen großen Exorzismus bei ihr durchgeführt, in der Annahme, sie sei von Dämonen besessen.
Michel hatte bereits seit ihrer Jugend gesundheitliche Probleme, unter anderem wurden bei ihr Epilepsie und eine beginnende paranoide Psychose diagnostiziert. Gegen ihre Krampfanfälle wurden ihr Medikamente verschrieben, die ihr aber wohl nicht regelmäßig verabreicht wurden. Ohne Medikation verbesserte sich ihr Krankheitsbild erwartungsgemäß nicht. Sie zeigte selbstverletzendes Verhalten und lehnte ab der Fastenzeit im März 1976 die Nahrungsaufnahme ab, Stimmen in ihrem Kopf hätten ihr Essen verboten, so Michel.
Statt ärztlicher Unterstützung wurden nach und nach verschiedene Geistliche herangezogen, um Michel zu exorzieren. Die junge Frau starb am 1. Juli 1976 an starker Unterernährung und einer Lungenentzündung. Zum Zeitpunkt ihres Todes wog sie nur noch 31 Kilogramm. Später wurden die Beteiligten, die Michel "behandelt" hatten, angeklagt und wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Michels Fall war unter anderem Grundlage für Horrorfilme wie "Der Exorzismus von Emily Rose" und "Requiem".
Zusammenarbeit zwischen Geistlichen und Medizinern seit 1999 gestärkt
Unter anderem Michels Fall warf ein Licht auf zweifelhafte Riten von römisch-katholischen Exorzismen. Seit der Änderung 1999 ist es daher obligatorisch, dass eine Person, bei der eine Besessenheit vermutet wird, zunächst medizinisch untersucht werden muss. Die Zusammenarbeit zwischen Geistlichen, Ärzten und Therapeuten ist seither deutlich gestärkt. Zudem muss ein Exorzismus der Katholischen Kirche durch den Diözesanbischof genehmigt und von einem bestellten Exorzisten durchgeführt werden. Ein großer Exorzismus wird grundsätzlich von zwei Geistlichen durchgeführt.
Sie folgen dabei dem immer gleichen Ritus. Grundsätzlich ist eine Exorzismus ein rund einstündiges in Latein vorgetragenes Gebet. Nach dem Besprengen mit Weihwasser folgt ein Wortgottesdienst, eine Symbolhandlung – etwa Handauflegen oder das Zeigen des Kreuzes – gefolgt von einem Danklied, einem Gebet und einem Segen.

Mit Horrorfilmen haben Exorzismen allerdings wenig gemein. Laut Orlita gehe es bei dem Ritus viel mehr darum, "die Qualität des christlichen Lebens zu verbessern." Ein kleiner oder großer Exorzismus ist dabei verbreiteter als man denken könnte, beispielsweise ist er Teil einer christlichen Taufe.
Die Weltexorzistenvereinigung wurde 1994 vom mittlerweile verstorbenen Priester Gabriele Amorth gegründet. 2014 erkannte die vatikanische Kleruskongregation den Zusammenschluss offiziell an. Armorths Leben war Grundlage des kürzlich erschienenen Horrorfilms "The Pope's Exorcist" mit Russell Crowe in der Hauptrolle.