Am vergangenen Wochenende haben mehrere Tageszeitungen Stellengesuche von angeblich ungeimpften Pflegekräften geschaltet. Das erscheint angesichts der beschlossenen Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen, die ab dem 16. März gelten soll, zunächst gar nicht so ungewöhnlich.
Auffällig ist allerdings die Häufung sehr ähnlicher Inserate. Eine Recherche des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) führte zu verschiedenen Telegram-Gruppen, in denen Impfgegner zu entsprechenden Aktionen aufrufen – es zeigt sich, dass es sich zumindest bei einem Teil der Inserate um gefälschte Anzeigen handelt. Das augenscheinliche Ziel: die beschlossene Impfpflicht doch noch verhindern.
Der RBB-Journalist Andreas Rausch hat die Prüfung der Zeitungsannoncen ins Rollen gebracht: In seinem Bericht zeigt er sich erstaunt, als er einen Blick ins "Bautzener Anzeigenblatt" wirft. Dort findet er 126 Stellengesuche von Pflegekräften in nur einer Ausgabe. Ein Zufall? Rausch beschließt, der Sache nachzugehen – und telefoniert stichprobenartig 18 der Anzeigen, bei denen überwiegend Handy- und Festnetz-Nummern angegeben sind, ab. Mit einem auf den ersten Blick ernüchternden Ergebnis: Denn niemand spricht mit dem Journalisten, nur die wenigsten heben überhaupt ab. Ein Großteil der Nummern ist nicht vergeben – einschließlich der "0160-1234567890". Spätestens jetzt kommen Zweifel an der Echtheit der Stellengesuche auf.
Impfpflicht-Gegner rufen auf Telegram zu Stellengesuchen auf
Rausch berichtete auch auf seinem privaten Twitter-Profil über seine Recherchen – die einige Nutzer gemeldet haben. Dort schreibt er am Montag, inzwischen mit einer Krankenschwester gesprochen zu haben. Ein Interview wollte sie demnach nicht geben – doch die Frau sprach von einer "konzentrierten Aktion, zu der man sich verabredet habe."
Auch der "Fränkische Tag" gehört zu den Zeitungen, die mit Stellenanzeigen geflutet worden sind. In der Samstagsausgabe seien mehr als 50 Anzeigen geschaltet worden. "Diese Häufung von sich ähnelnden Inseraten ist ungewöhnlich. Das wirkte auf den ersten Blick fast wie abgesprochen", sagte Gerhard Staudt, Teamleiter des Auftragsmanagements der Mediengruppe Oberfranken.
Das Blatt startete daraufhin eigene Recherchen und wurde in der Bamberger Chatgruppe "Stay awake" fündig: Dort seien ungeimpfte Pflegekräfte zu gebündelten Zeitungsannoncen aufgerufen worden. Unwiderlegbare Beweise für einen Zusammenhang zwischen dem Aufruf und der Häufung ähnlich lautender Inserate gebe es zwar nicht. Die Zeitung vermutet laut dem Bericht dennoch, dass der Anzeigenteil des Blattes "zu einem Feld der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung über die Impfpflicht geraten sein" könnte.
Nächste Kampagne in weiterer Tageszeitung geplant
Und die Aktionen vom vergangenen Wochenende haben offenbar bereits Nachahmer gefunden: In verschiedenen Telegram-Gruppen rufen Impfgegner weiterhin gezielt dazu auf, gesammelt Anzeigen bei Tageszeitungen zu schalten. Aktuell betroffen: Die "Heilbronner Stimme". Am Samstag, den 29. Januar, sollen dort Stellengesuche von Pflegefachkräften geschaltet werden, welche die Begriffe "langjährig beschäftigt", "ungeimpft" und "16.03." enthalten. Zudem sollen die Annoncen anonym unter Chiffre erfolgen – damit keine direkte Kontaktmöglichkeit über Telefonnummern möglich ist.

Die Zeitung machte die geplante Kampagne bereits selbst öffentlich. Medienberichte über die gehäuften Stellengesuche vom Wochenende hätten auch bei der "Heilbronner Stimme" eine Welle losgetreten. "Wir machen seit heute morgen nichts anderes, als uns um diese Anzeigen zu kümmern", sagt Chefredakteur Uwe Ralf Heer am Montag gegenüber dem stern. "Wir prüfen jede Anzeige – und schalten nur diejenigen, bei denen wir nachprüfen konnten, dass sie echt sind." Bislang seien 20 Fake-Annoncen entlarvt worden, die alle in das Schema der Telegram-Aufrufe passen.
Nicht alle Anzeigen sind jedoch Teil der Impfgegner-Kampagnen. Tatsächlich gibt es viele Pflegekräfte, die eine neue Beschäftigung suchen: Das Job-Portal Stepstone meldete, dass im Dezember und Januar in einer aktuellen Untersuchung 42 Prozent der Beschäftigten in der Pflege angaben, dass sie auf der Suche nach einer neuen Arbeit seien. Verschiedene Medien berichteten zudem, dass sie Stellengesuche verifizieren konnten – so prüften etwa Journalisten von ZDFheute die Annoncen im "Oberlausitzer Kurier". Wie viele von all den Job-Anzeigen letztlich echt sind und wie viele gefälscht, lässt sich aktuell allerdings noch schwer einschätzen.
Quellen: Rundfunk Berlin-Brandenburg, Fränkischer Tag, Heilbronner Stimme, ZDFheute, mit dpa-Material