Am internationalen "Safe Abortion Day" demonstrierten am Mittwoch Menschen weltweit für das Recht auf sichere Abtreibung. Auch in Italien gingen in verschiedenen Städten tausende Demonstrierende auf die Straße. Nach dem Wahlsieg des rechten Bündnisses rund um die rechtsradikale, postfaschistische Partei "Fratelli d’Italia" (Brüder Italiens) fürchten nun viele Italiener:innen, der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen könnte schwieriger werden. Die Partei der voraussichtlichen neuen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist unter anderem für ihre sehr konservative Familienpolitik bekannt, eines ihrer erklärten Ziele ist, dass Italiens sinkende Geburtenrate wieder steigt.
Die 45-Jährige hatte bislang stets zurückgewiesen, das gesetzliche Recht auf Abtreibung abschaffen zu wollen. Auf einer Kundgebung in Genua Mitte September hatte sie allerdings laut italienischen Medienberichten geäußert, man wolle Frauen, die glaubten, eine Abtreibung sei ihre einzige Möglichkeit, dennoch "das Recht geben, eine andere Entscheidung zu treffen." Diese unklare Aussage fachte die Debatte weiter an.
Immer mehr Ärzte in Italien lehnen Abtreibungen aus Gewissensgründen ab
Viele Aktivist:innen befürchten, dass die Zugänge zu Abtreibung doch nach und nach so erschwert werden könnten, dass sie auch ohne ein generelles Verbot immer unzugänglicher wird.
Seit 1978 gilt in Italien ein Gesetz, welches Abtreibungen in den ersten 90 Tagen erlaubt – allerdings nur mit Beratungsgespräch und einer anschließenden siebentägigen Bedenkzeit. Ärzte dürfen eine Abtreibung allerdings aus Gewissensgründen ablehnen. Dies geschah bereits in den letzten Jahren immer häufiger. 2019 lag der Durchschnitt der Ablehnungen laut einem Bericht der Tagesschau bei 70 Prozent. In einzelnen Regionen sollen es laut "ORF" mittlerweile 80 bis 90 Prozent sein.
Familienplanungszentren warnen vor allem in Norditalien vor Einschränkungen
Vor allem in den Regionen Norditaliens, in denen Parteien des rechten Bündnisses regieren, berichten Familienplanungszentren von zunehmenden Schwierigkeiten für Frauen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen. In Verona hat ein Abgeordneter der rechten Lega-Partei, die auch zu Melonis Wahlbündnis gehört, bereits im Oktober 2018 einen Gesetzesvorschlag "zur Prävention von Abtreibungen und zur Unterstützung der Mutterschaft" eingebracht, welcher im Stadtrat eine große Mehrheit erhielt. Wie die "Tagesschau" berichtete, enthielt der Antrag den Vorschlag, schwangeren Frauen 18 Monate lang einen Betrag von 160 Euro monatlich anzubieten, damit sie sich gegen eine Abtreibung entscheiden. Medienberichten zufolge plant auch Meloni Maßnahmen wie solche Zahlungen.
Auch in der italienischen Region Marken, in der die Fratelli d’Italia bereits seit zwei Jahren regieren, soll es deutlich schwieriger geworden sein, an Abtreibungen zu kommen, wie Familienplanungszentren berichten. Eine nationale Regelung sieht eigentlich vor, dass medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche bis zur neunten Woche erlaubt sind. In Marken wurde die Grenze auf sieben Wochen heruntergesetzt – zwei Wochen, die einen großen Unterschied machen können. Denn Schwangere erfahren meist erst zwischen der vierten und sechsten Woche überhaupt von ihrer Schwangerschaft. Weil in Italien nach einer erfolgten Beratung zudem noch eine Woche Bedenkzeit verpflichtend ist, bevor eine Abtreibung vorgenommen werden darf, ist das Zeitfenster für einen medikamentösen Abbruch in Marken erheblich begrenzt. Eine Maßnahme des Gesundheitsministeriums, die es zusätzlich zu Krankenhäusern auch Gesundheitskliniken ermöglicht, Medikamente zur Abtreibung auszuhändigen, wurde in der Region nicht umgesetzt.
Rechte Parteien in Europa: Wo der Kontinent Schlagseite hat
Unabhängig davon, ob und wie offensiv Giorgia Melonis Partei den Zugang zu Abtreibungen zukünftig erschweren wird: Monica Cirinnà, Senats-Abgeordnete der mittig-links ausgerichteten "Partito Democratico", ist sich sicher, dass Italien in Sachen Frauenrechten unter Meloni Rückschritte machen wird. Meloni gebe ihre rechtsextreme Kultur nicht auf, laut derer Frauen nur ein gewisses Maß an Freiheit zugestanden werden solle.
Quellen:Guardian I, Guardian II, Euronews I, Euronews II, ORF, La Repubblica, Tagesschau