Jahrestag Erfurt gedenkt der Opfer des Amoklaufs

Vor zwei Jahren richtete Robert Steinhäuser im Erfurter Gutenberg Gymnasium ein Blutbad an. Die Stadt gedenkt des Amoklaufs. Mit einer Schweigeminute hat die Stadt des Blutbads gedacht.

Mit einer Schweigeminute hat die Stadt Erfurt am Montag des Blutbads am Gutenberg-Gymnasium vor zwei Jahren gedacht. Busse und Straßenbahnen unterbrachen ihre Fahrt. Von 10.55 Uhr bis 11.10 Uhr, also zur Tatzeit, läuteten die Glocken aller Kirchen der Innenstadt. Am 26. April 2002 hatte der 19-jährige ehemalige Schüler des Gymnasiums Robert Steinhäuser 16 Schüler und Lehrer und anschließend sich selbst getötet.

Schule richtete interne Gedenkveranstaltung aus

Oberbürgermeister Manfred Ruge hatte bereits am Morgen einen Kranz am Schulgebäude niedergelegt. Auch auf die Gräber der Opfer brachten Vertreter der Stadt und der Schule Kränze und Blumengebinde. Auf Bitten der Hinterbliebenen der Opfer wie auch der Lehrer und Schüler des Gymnasiums wurde der Toten des Massakers zum zweiten Jahrestag in der Stille gedacht. Die Schule richtete eine interne Gedenkveranstaltung aus.

Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer sagte bei einer Rede in Erfurt, tragische Ereignisse wie am Gutenberg-Gymnasium ließen sich nicht wegerklären, nur aushalten. Er wandte sich scharf gegen selbsternannte Aufklärer und Mutmaßer, die mit einer geradezu blasphemischen Besessenheit in Wunden stocherten, um die Schuldigen an den Pranger der öffentlichen Schande zu bringen. "Es gibt einen Voyerismus des Unheils, eine merkwürdige Lust am Entsetzen", kritisierte Schorlemmer auf einer Veranstaltung des Fördervereins des Gutenberg-Gymnasiums.

Althaus kündigt Konsequenzen aus Abschlussbericht an

"Wir werden solche und ähnliche Ausbrüche des Destruktiven nicht verhindern können." Jeder sei auf seine Weise mitverantwortlich für ein gedeihliches gesellschaftliches Klima. Wer dem Geschehen am 26. April 2002 näherkommen wolle, müsse zulassen zu erkennen, "dass in jedem von uns ein Ungeheuer schlummert" betonte er anknüpfend an das Wort des Philosophen Friedrich Nietzsche, dass der Mensch ein Seil über dem Abgrund sei, genüpft zwischen Tier und Übermensch. Den Schülern des Gymnasiums rief er zu, sie hätten ein Recht sich zu wehren, wenn purer Stress ihre Kreativität blockiere. Sie hätten auch das Recht, das Geschehene "hinter sich zu lassen". Erfurt sollte nicht ständig von diesem Schreckenstag leben.

Zuvor hatte der niedersächsische Jugendforscher Christian Pfeiffer Maßnahmen gegen den frühen und unbeaufsichtigten Umgang von Kindern mit Fernsehen, Internet und Videospielen gefordert. "Deutschland braucht mehr Ganztagsschulen, weil dann diese Medienverwahrlosung erst ab 17.00 oder 18.00 Uhr beginnen kann, und dann sind die Eltern zu Hause", sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen im ZDF-Morgenmagazin. Pfeiffer appellierte aber auch an die Erzieher, die Probleme von Schülern sensibler wahrzunehmen. "Wenn Steinhäuser von der Schule anders behandelt worden wäre, wäre es vielleicht zu dieser Tat nicht gekommen. Das weiß man inzwischen auch, dass da nicht alles richtig gelaufen ist", sagte der Kriminologe.

Erst vor Kurzem hatte eine von der thüringischen Landesregierung eingesetzte Juristen-Kommission einen detaillierten Abschlussbericht zum Geschehen am 26. April 2002 vorgelegt. Darin kritisieren die Experten unter anderem Kommunikationsmängel während des Einsatzes. Kritisiert wurden auch Fehler der Schulbehörden. Der Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus kündigte an, dass in den zuständigen Ministerien Konsequenzen aus dem Bericht gezogen würden.

AP

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