Namensgebung Baby-Branding wird zur Manie

Er soll sich von der Masse abheben, die Zukunftsambitionen für den Nachwuchs widerspiegeln, gemeinsam mit dem Nachnamen eine Balance bilden: der Vorname. Um den perfekten zu finden, engagieren gestresste Eltern auch schon mal Linguisten, Numerologen oder Manager.

Drei Monate vor der Geburt ihres ersten Kindes war Dawn Mistretta mit den Nerven am Ende: Wie sollte sie ihre Tochter nennen? Angesichts hunderter Bücher zu Babynamen und mindestens ebenso vieler Webseiten mit unzähligen Blogs und Online-Diskussionen fühlte sie sich völlig überfordert.

Zusammen mit ihrem Mann Sean zog sie deshalb einen Experten für Namensgebung zu Rate. Der stellte jede Menge Fragen: lieber traditionell und biblisch oder hip und einzigartig? Phonetik, statistische Beliebtheit, ethnische Herkunft und linguistische Bedeutung waren ebenfalls wichtige Faktoren.

Für 50 Dollar (37,20 Euro) bekam das Ehepaar am Ende eine 15 Seiten lange Namensliste. Die Entscheidung - "Ava" - stimmte perfekt. "Meine Familie dachte allerdings, dass wir ein bisschen neurotisch sind", gab Dawn Mistretta in einem Zeitungsinterview zu.

Der perfekte Name

Seit die Stars in Hollywood ein Hobby daraus machten, ihren Kindern immer exotischere und ausgefallenere Namen zu geben, wuchs der Druck bei amerikanischen Eltern. Um den perfekten Namen zu finden, befragen sie nun Sozialwissenschaftler, Linguisten und Numerologen, durchforsten Datenbanken und ziehen Computerprogramme zur Namensfindung heran.

Manche angehenden Väter und Mütter engagieren ehemalige Marketing-Spezialisten und Consultants als Berater. Schließlich müssen ihre Sprösslinge im späteren Leben neben Apple Martin und Shiloh Jolie-Pitt bestehen können.

Von der Masse abheben

Experten nennen die Manie bereits "Baby Branding" - ein Begriff, der normalerweise nur bei der Einführung von Markennamen benutzt wird. Der künftige Name soll aus der Masse herausstechen, ohne negativ aufzufallen.

Die Träume und Ambitionen der Eltern für die Zukunft des Kindes spielen dabei nicht selten eine große Rolle: Der Name seines Sohnes müsse später gut auf einem politischen Spruchband oder einem Kinoplakat aussehen, erklärte ein Vater in Las Vegas und nannte den Kleinen Jackson Dean Bentham.

Fünf sind zu viel

Perfektionisten geht es darum, eine klangvolle Balance zwischen dem Vor- und Nachnamen zu finden, wie beispielsweise für die kleine Leah Marie McCombie in Kalifornien oder Olivia Abeler Ballard in New York.

Manche Eltern wollen auch einfach sicherstellen, dass später nicht fünf andere Jungs mit dem Namen "Ethan" in der Klasse sitzen, einem der Top-Ten-Namen in den USA vom vergangenen Jahr. Die Webseite "The Baby Name Wizard" bietet dafür eine interaktive Statistik an, die den Beliebtheitsgrad vieler Namen in den vergangenen Jahrzehnten prüft.

Der spirituelle Masterplan

Joanne Justis, eine viel beschäftigte Numerologin, sieht das Thema eher mystisch: "In den Namen des Kindes ist ein spiritueller Masterplan gewoben", ist sie überzeugt. Mit Hilfe der Buchstabenzahl, mathematischer Formeln und Sternbild-Befragung analysiert sie potenzielle Namen.

Das klingt zwar nach Hokuspokus, wird aber gut bezahlt: 475 Dollar kassiert Justis dafür, festzustellen, ob ein Name positive Assoziationen hervorruft. Denselben Service bietet sie auch für Haustiere an.

Hilfe aus dem Internet

Eine der am meisten besuchten Webseiten zum Thema Namensgebung ist BabyNames.com mit 1,2 Millionen Besuchern pro Monat. Eltern holen sich bei der Gründerin Jennifer Moss Rat in Fragen wie "Kann ich meinen Sohn Angel Aurelius nennen?" (nein, Angel ist nicht männlich genug, befand Moss). Auch "Trot" lehnte sie ab, weil der Namensträger auf dem Schulhof nur gehänselt würde. Der traditionelle Name "Sebastian Charles" fand dagegen Gnade.

Der Trend zur Exotik scheint auch in Hollywood nachzulassen. "Pretty Woman" Julia Roberts zum Beispiel, die mit der Entscheidung, ihr Zwillingspärchen Hazel und Phinnaeus zu taufen, für hoch gezogene Augenbrauen sorgte, hat sich für ihren neugeborenen Sohn einen ganz bodenständigen Namen ausgedacht: Henry.

DPA DPA

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