Papst-Botschaft Rom hat gesprochen

Kein Superlativ ist den Gläubigen zu hoch für den "Rekordpapst". Doch der zähe Pole, tief besorgt um die Zukunft der Kirche, nimmt noch einmal die Zügel in die Hand. Die Botschaft ist uralt: Rom führt die Kirche, heißt es im neuen Papst-Papier an alle Reformer.

Azurblau wölbt sich der Himmel über den Petersplatz, die Pilger räkeln sich im Sonnenschein, Sommerwetter im Herbst. Ideal zum Feiern. "Gigant der Geschichte" nennt die Vatikanzeitung "L’Osservatore Romano" den Papst, kein Superlativ ist den Gläubigen zu hoch. Italienische Medien werden nicht müde, ihren "Rekordpapst" zu feiern: 60 mal sei er, gemessen an Reisekilometern, um den Erdball geeilt, vor 250 Millionen Menschen habe er gepredigt, 570 Staats- und Regierungschefs habe er gesprochen - Wer tat je mehr für Frieden, Gerechtigkeit und den Glauben in der Welt?

Rom führt die Kirche

Nur der Papst begnügt sich nicht mit bravem Feiern und bloßer Rückschau. Der zähe Pole, tief besorgt um die Zukunft der Kirche, nimmt vor versammelten Kardinälen und Bischöfen noch einmal die Zügel in die Hand. Längst alt und schwach geworden, rafft er sich zur möglicherweise letzten Botschaft auf. Seine Stimme ist dünn wie ein Faden, doch sein Machtanspruch ist unbeirrbar, die Botschaft ist uralt und ohne Wenn und Aber: Rom führt die Kirche, heißt es im neuen Papst-Dokument an alle Reformer und Modernisierer, die Demokratie oder Priesterehe wollen. Von den Bischöfen und Priestern fordert er Gehorsam, Keuschheit und ein einfaches Leben.

"Prinzip und Fundament dieser Einheit sowohl der Kirche wie des Kollegiums der Bischöfe ist der Papst". Das lässt nicht gerade viel Raum für Reformen. "Roma locuta, causa finita", hieß dieses Prinzip früher: Rom hat gesprochen, der Fall ist abgeschlossen. Hart ist der Ton des Papst-Schreibens.

"Der Papst, der aus der Kälte kam"

Dabei begehen die Italiener das große Fest so leichtlebig. Keine Talk-Show im Land, die derzeit am großen Jubiläum vorbeikommt. "Der Papst, der aus der Kälte kam", heißt der Titel einer Sendung, die mit der bizarren Frage endet, ob der Pole nicht insgeheim "auch eine Frau zum Kardinal gemacht hat." In einer anderen Show erörtern die amüsierten Gäste das Thema, ob Karol Wojtyla in seiner Studentenzeit nicht doch eine Freundin gehabt habe, schließlich spielte er damals Theater und verfasste "poesie d’amore" - Liebesgedichte.

Süß sind die Erinnerungen, immer wieder zeigen die Fernsehsender der Welt den "heiteren Beginn" seines Pontifikats. Es war am 16. Oktober 1978, etwa um 18 Uhr, die Abenddämmerung senkte sich über den Petersplatz, als der 58 Jahre junge Pole vor die Gläubigen trat - und gleich mit höfischen Zeremoniell brach und sich direkt an die Menschen wendete. "Ich weiß nicht, ob ich mich, in Eurer .... in unserer Sprache gut ausdrücke. Wenn ich Fehler mache, verbessert mich!". Schon hatte er die Herzen der Italiener erobert. Damals, in den heiteren ersten Jahren entstand auch das Missverständnis unter vielen Gläubigen, es handele sich um einen "modernen Papst".

Wer wird der nächste Papst?

Die "heiteren Jahre" sind längst vorbei. Trotz Festlichkeiten und strahlender Herbstsonne: Fahle Dämmerstimmung liegt über dem Kirchenstaat. Die versammelten Kardinäle mögen bei ihrem mehrtägigen Kolloqium den Papst preisen und loben - aber ihr Blick ist nach vorne gerichtet: Wer wird der nächste Papst? Ist die Zeit reif für einen Mann aus der Dritten Welt? Und, vor allem: Wie kann der Neue die Herkulesaufgaben der Zukunft bewältigen?

Johannes Paul ist ein "Friedenspapst", Stimme der Armen und Entrechteten, ein Visionär - ein Neuerer war er nie. Seine erhoffte Neu-Evangelisierung ist gescheitert, die Versöhnung mit den Orthodoxen auf halben Wege stecken geblieben. Just zum großen Jubiläum listet eine römische Zeitung penibel die brennenden Probleme auf: Priestermangel, "Pillenverbot", vor allem: "mangelnde Demokratie in der Kirche". Ein anderes Blatt veröffentlicht ausgerechnet dieser Tage ein Interview mit dem größten "Kirchenrebell" der Epoche, dem Tübinger Theologieprofessor Hans Küng. Kernsatz: "Unter Johannes Paul ist das Schiff der Kirche zu einer mittelalterlichen Galeere für Unmündige geworden."

DPA
Peer Meinert

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