Es war der gespenstische Schluss einer sechsteiligen Doku-Serie. Robert Durst, 71, ein New Yorker Millionär, der seit Jahren verdächtigt wird, drei Menschen getötet zu haben, hat gerade ein Interview für eine HBO-Dokumentation über sein Leben beendet. Die Kameraleute packen zusammen, das Licht geht aus. Durst geht auf die Toilette. Da sein Mikrofon noch an ist, ist zu hören, wie er beginnt mit sich zu reden. Minutenlang geht das. So, als gäbe es ein zweites Ich in dem Kopf des kleinen, alten Mannes. Ganz am Ende sagt er dann: "Was zum Teufel habe ich getan?" Seine Antwort: "Ich habe sie alle umgebracht, natürlich."
Ein Gänsehautmoment. Ein offenes Geständnis? Womöglich. Ob der Tonbandmitschnitt vor Gericht zugelassen wird? Das kann derzeit in Wahrheit niemand sicher sagen. Nur so viel, da sind sich Experten einig, Durst hat im Gespräch mit Journalisten kein Recht auf Geheimhaltung seiner Aussagen.
Es könnte also der spektakuläre Schlusspunkt einer über 30 Jahre dauernden Mörderjagd sein. Seit 1982 die Ehefrau des exzentrischen Sprosses einer reichen New Yorker Immobilien-Dynastie verschwand, versuchen Polizei und Staatsanwälte Durst eine Straftat nachzuweisen. Die Eheleute waren wohl schon lange zerstritten, Durst soll seine Frau Kathleen auch geschlagen haben. Zu einer Freundin soll sie kurz vor ihrem Verschwinden gesagt haben: "Ich fürchte mich vor Bob."
Der Fall sorgt für Schlagzeilen
Der Fall sorgte für große Schlagzeilen. Letztendlich kann Durst aber nichts nachgewiesen werden und die Ermittlungen werden eingestellt. Viele sagen heute, die Ermittlungen seien schlecht geführt gewesen. Und Durst sei damals nur wegen seines Geldes und des guten Rufes seiner Familie davongekommen.
Als im Dezember 2000 Dursts langjährige beste Freundin Susan Berman in Kalifornien erschossen in ihrer Wohnung aufgefunden wird, gerät Durst erneut in den Fokus der Ermittler. Der exzentrische Außenseiter lebt zu dieser Zeit in Manhattan und leitet mit seinem Bruder Douglas das Familienunternehmen. Berman soll zeitweise seine engste Vertraute gewesen sein. Hat der Millionenerbe ihr eventuell davon erzählt, wie er seine Ehefrau aus dem Weg geschafft hat? Angeblich wollte Berman mit einer Staatsanwältin über das Verschwinden von Kathleen Durst reden. Dazu kam es nicht.
Nachdem die Leiche seiner Freundin gefunden wird, taucht Durst unter. Wie sich später herausstellt in Galveston, Texas, wo er sich verkleidet als stumme Frau in einem Motel versteckt und so versucht, einer Befragung durch die Polizei zu entgehen. Erst neun Monate später fliegt die Tarnung auf. Durst wird in verhaftet - nachdem zersägte Körperteile seines Nachbarn in der Galveston Bay angespült werden. Der Kopf des alten Mannes wird allerdings nie gefunden.
Alles scheint für Durst als Täter zu sprechen
Diesmal wird Durst angeklagt. Als er seine Anhörung verpasst, beginnt eine landesweite Menschenjagd nach dem Millionär. Im November 2001 wird er endlich gefasst, als er in Bethlehem, Pennsylvania, versucht im Supermarkt ein Hähnchen-Sandwich, Heftpflaster und eine Zeitung zu klauen. Und das obwohl er 500 Dollar bei sich trug. In seinem Auto findet die Polizei 37.000 Dollar Bargeld, zwei Pistolen, Marihuana und einen gefälschten Führerschein.
Alles scheint für Durst als Täter zu sprechen. Aber der Multi-Millionär engagiert die teuersten Anwälte des Landes. Im Kreuzverhör argumentiert er, er habe seinen Nachbarn in Selbstverteidigung erschossen, als die beiden über eine Waffe in Streit geraten seien. Er gesteht, die Leiche des Mannes später zerteilt und ins Wasser geworfen zu haben. Weil der Kopf nicht gefunden wurde, kann seine Erklärung nicht von Forensikern überprüft werden. Psychiater bestätigen, dass Durst am Asperger-Syndrom, einer besonderen Form des Autismus leide. Am Ende spricht ihn die Jury frei. Nur für das Nichterscheinen bei der Anhörung und der Beseitigung von Beweismaterial wird er mit fünf Jahren Haft bestraft.
Am Samstag, am Tag bevor die letzte Folge der Dokumentation im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, wurde Durst nun wegen Verdacht des Mordes an Susan Berman verhaftet. Und inzwischen gibt es auch wieder Ermittlungen im Fall seiner Ehefrau. Die Polizei hatte es eilig, den 71-Jährigen festzunehmen, sie glaubten, er wollte sich nach Kuba absetzen. FBI-Agenten stoppten ihn in der Lobby eines Hotels in New Orleans. Dort hatte er unter falschem Namen ein Zimmer gemietet.
Sein Bruder ist dankbar für die Verhaftung
Die Staatsanwältin im Fall der verschwundenen Ehefrau, Jeanine F. Pirro, sagte nun erlöst: "Die Filmemacher haben das geschafft, was die Ermittler in drei Staaten in 30 Jahren nicht hinbekommen haben." In der Tat. Es war ein Mamutprojekt. Und der Journalist Andrew Jareckuis hat sich die letzten zehn Jahre damit beschäftigt. Er sagt selbst, dass er denn Mann mochte. Aber davon ließ er sich nicht beirren. Er recherchierte, wie Durst als Sohn einer Familie aufwuchs, der elf Wolkenkratzer in New York gehörten. Wie er als Siebenjähriger angeblich dabei zuschaute, wie sich seine Mutter von einem Dach in den Tod stürzte. Seine Ehe und seine Entfremdung von der Familie, als sein jüngerer Bruder zum Nachfolger des Vaters ernannt wurde.
Sogar sein Bruder Douglas hat sich inzwischen zur Verhaftung geäußert. Er sagt: "Wir sind erlöst und allen dankbar, die zu der Verhaftung von Robert Durst beigetragen haben. Wir hoffen, er wird sich endlich für seine Taten verantworten müssen."
Ob Durst am Ende wirklich der Mordes überführt wird, ist offen. Das Selbstgespräch auf der Toilette ist zwar der Gänsehautmoment in der Doku-Serie, gewieften Anwälten könnte es dennoch gelingen, seinen Wert in einem Prozess als wenig aussagekräftig herunterzuspielen. Durst könnte es ironisch gemeint haben. Seine Anwälte plädieren bereits auf "nicht schuldig". Es sind inzwischen noch viele andere Beweise gegen Durst aufgetaucht. So dass das vermeintliche Geständnis vielleicht am Ende gar nicht wichtig ist. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Los Angeles gibt sich jedenfalls selbstbewusst und sagt: "Seine Verhaftung hat nichts mit dem Film zu tun. Wir haben genug eigene Beweise gegen ihn." Aber es gibt immer noch Viele, die auch diesmal fürchten, der wohlhabende Durst könnte erneut davon kommen.
Zweifel an seinem geistigen Zustand
Denn es gibt erheblichen Zweifel an seinem geistigen Zustand. So soll er verwirrt sein und womöglich unter Demenz leiden. Der ohnehin schon immer exzentrische Mann urinierte im vergangenen Dezember zum Beispiel in den Süßigkeiten-Gang eines Supermarktes.
Ein bizarrer Fall, zu dem auch die Umstände der Entdeckung des Geständnisses passen. Denn das Gespräch, an dessen Ende Durst in die Toilette geht, hat bereits vor zwei Jahren stattgefunden. Keiner der Mitarbeiter hat es damals gehört. Erst als jetzt der Film zusammengeschnitten wurde, wurde es zufällig entdeckt.