"Icke muss vor Jericht" Katzentraining in der Dusche

  • von Uta Eisenhardt
Feuchtfröhliches Vergnügen: Der Angeklagte filmte seine weibliche Gäste mit einer Minikamera
Feuchtfröhliches Vergnügen: Der Angeklagte filmte seine weibliche Gäste mit einer Minikamera
© Colourbox
Im Bad seiner Minipension hatte ein Mann eine Kamera installiert. Aber nicht, so behauptet der Angeklagte vor Gericht, um die weiblichen Gäste zu beobachten. Sie sei nur zur Erziehung der hauseigenen Katzen gedacht.

Empört marschierte die Studentengruppe zum nächsten Polizeirevier. Aufgeregt berichtete eine Holländerin, sie sei beim Duschen gefilmt worden. Ein Mitbewohner aus Mexiko habe sie auf einem Monitor erkannt - der stand auf dem Schreibtisch ihres Gastgebers. Jetzt sei klar, warum sich dieser stets in sein Zimmer zurück gezogen habe, wenn eine seiner Mitbewohnerinnen das Bad ansteuerte.

Mit der Order "Gefahr im Verzug" begaben sich drei Beamte ins studentische Quartier. Sie durchsuchten die 100 Quadratmeter-Wohnung, deren vier Gästezimmer ihr Inhaber Oliver Bluhm* vor allem über "www.couchsurfing.org" vergab. Das ist ein internationales Gastgebernetzwerk: Schlaf ich kostenlos auf deiner Couch, schläft ein anderer kostenlos auf meiner Couch, lautet die Devise der Weltoffenen.

Minikamera für die Miezekatze

Tatsächlich wurden die Polizisten im langen, schmalen Bad fündig: Unter einem elektrischen Boiler hing eine Minikamera. Diese war in eine schwarze, wasserfeste Folie gehüllt und mit einer Aluminiumfolie getarnt. Die Beamten beschlagnahmten das corpus delicti nebst den drei in der Wohnung befindlichen Computern. Die Mühe, den Weg der Kabel zu verfolgen, die von der Kamera in den Flur führten und dort in einem Wandloch verschwanden, machten sich die Beamten nicht. Sie setzten auf die Auswertung der Computer.

Dort ließ sich aber nichts finden. In einem der Geräte befand sich noch nicht einmal eine Festplatte. Wozu er den benutze, will der Richter vom Angeklagten wissen. Zum sicheren Surfen im Internet, erklärt Oliver Bluhm, ein 42-jähriger, arbeitsloser Elektrotechniker-Meister mit heiserer Stimme und schiefen Zähnen, dessen Lächeln zwischen freundlich, überheblich und verschlagen wechselt.

"Hundertprozent blickdichtes Klebeband"

"Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" heißt die Straftat, die man ihm vorwirft und die erst seit wenigen Jahren eine ist: Wer von einer anderen Person, die sich in einem privaten Raum befindet, unerlaubt Bilder herstellt oder überträgt, dem droht Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

1000 Euro (50 Tagessätze) Geldstrafe sollte Oliver Bluhm zahlen. Doch er widersprach diesem schriftlichen Urteil. Es war nicht das einzige, das die Justiz ihm zustellte: Weil er den Hauswart die Treppe herunter geschubst hat, bekam er einen weiteren Strafbefehl über 400 Euro (20 Tagessätze). Gegen beide Urteile legte Oliver Bluhm Einspruch ein.

Er könne so viele Kameras in seiner Wohnung haben, wie er wolle. Es habe zwar eine in seinem Bad gegeben, aber deren Kabel seien weder mit einem seiner drei Computer verbunden gewesen, noch habe er auf seinem festplattenlosen Computer Bilder empfangen können. Die Kamera habe nicht einmal Spannung gehabt. Außerdem habe er ein "hundertprozentig blickdichtes Klebeband" vor deren Linse geklebt: "Ich kontrolliere das immer, wenn ich unter der Dusche stehe. Da brauch ich nur einen Blick." "Vor der Linse war gar nichts", sagt ein als Zeuge geladener Polizist.

Katzen sollten menschliches WC nutzen

Er habe die Kamera auf den Fußboden ausgerichtet, weil er seine Katzen trainiert habe, die sollten das menschliche WC benutzen. Er habe schnell reagieren wollen, falls sie in die Wanne gemacht hätten. Zeigten die Tiere das gewünschte Verhalten, habe er sie in den Flur gelassen: "Zum besseren Essen." Seine Katzen seien ihm wichtig, das steht auch in seinen Gäste-Regeln, erklärt der Angeklagte. "In Ihren Regeln erwähnten Sie aber zu keinem Zeitpunkt, dass eine Kamera in Betrieb ist", sagt der Richter.

Der Angeklagte verteidigt sich weiter: Er habe die Dusche nicht extra ausgeleuchtet, wie ihm die Polizei attestierte. Überall in seiner Wohnung befänden sich solche Halogen-Strahler. Er sei auch nicht immer in sein Zimmer gegangen, wenn einer im Bad war: "Meine Tür war stets offen. Außerdem habe ich neun Gäste gehabt, da war immer jemand im Bad."

Keine Hilfe aus Mexiko

Oliver Bluhm hat beim Lesen seiner Strafakte gut aufgepasst: Es gibt es keine Spuren auf seinen Computern, niemand hat bei der Durchsuchung geprüft, ob die Kamera angeschlossen war. Um ihn dennoch überführen zu können, müsste der Richter die Studenten als Zeugen laden. Aber der Mann, der die belastenden Bilder auf dem Monitor gesehen haben will, ist nicht erreichbar. Die mexikanische Justiz scheint Dringenderes zu tun haben, als den deutschen Kollegen schnelle Amtshilfe zu leisten. So bleibt es bei einem starken Verdacht und einer Anklage wegen Körperverletzung des Hauswarts.

Diese Konstellation ermöglicht dem Gericht, den - wie der Richter sagt - "aus unser aller Sicht deutlich interessanteren Vorwurf" wegen der Duschbilder einzustellen und sich auf die Verurteilung wegen Körperverletzung zu beschränken. Hier berichten die Zeugen einhellig, wie sich der Angeklagte darüber ärgerte, dass der Hauswart immer wieder die Eingangstür schloss. Oliver Bluhm, der diverse Dinge ins Haus tragen wollte, war irgendwann so wütend, dass er mit Schwung gegen die Haustür trat und anschließend gegen die Wohnungstür seines Widersachers.

Angeklagter beherbergt seit 26 Jahren Gäste

Der schaute sofort nach, wer da seine Tür traktierte. Er wollte den Tobenden zur Rede stellen. Der zog es vor, den korpulenten Mann zu schubsen, der glücklicherweise gegen die Flurwand fiel. So kam er mit einem Schreck sowie Prellungen und Kopfschmerzen davon. Vor Gericht behauptet der Angeklagte, der Hauswart habe ihn angegriffen und ihm die Beine weggezogen. Im Fallen habe er sich auf den Rücken seines Gegners gestützt. So würden sich dessen Kratzer erklären. "Ich habe tatsächlich zwei Mal zugeschlagen. Das ist mein gutes Recht", erklärt Oliver Bluhm.

Während das Gericht berät, erklärt der Angeklagte auf dem Flur, seit 26 Jahren die internationale Gastfreundschaft zu pflegen: Zunächst über "Servas", doch deren System sei zu umständlich. Bei den Couchsurfern ist er inzwischen nicht mehr zu finden: Die Bewertungen seiner bei ihm duschenden Studentinnen dürften ihn aus diesen Netzwerk verscheucht haben. Nun sucht Oliver Bluhm über eine eigene Homepage nach zahlenden Mitbewohnern.

1200 Euro (60 Tagessätze) soll ihn seine Unbeherrschtheit gegenüber dem Hauswart kosten. Das meinen Staatsanwältin und Richter einhellig am zweiten Verhandlungstag, zu dem der Angeklagte gar nicht mehr erscheint. Der Richter rechnet damit, dass Bluhm sein Urteil nicht akzeptiert: In der Berufungsverhandlung könnte der Vorwurf wegen den Duschbildern wieder aufgenommen werden. Vielleicht schafft es die mexikanische Justiz bis dahin mit der Amtshilfe.

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