In Ghor, einer Provinz im Norden Afghanistans, wurde am vergangenen Mittwoch ein muslimischer Geistlicher verhaftet, weil er ein sechsjähriges Mädchen geheiratet hat. Wie der afghanische Nachrichtensender Tolo News berichtet, wurde das Kind offenbar während des Ramadans mit Mohammad Karim verheiratet. 40 Gäste sollen bei der Zeremonie anwesend gewesen sein. "Das Mädchen wurde mir als Geschenk überreicht und wir heirateten, damit ich es großziehen kann", behauptete der etwa 50- bis 60-jähriger Karim gegenüber der Rundfukgruppe "Radio Free Europe".
Warum die Eltern der Sechsjährigen ihre Tochter dem Kleriker als "religiöse Opfergabe" überlassen haben sollen, konnte er dem Bericht zufolge aber nicht erklären. Tatsächlich ist es in den ländlichen Gebieten Afghanistans durchaus üblich, Geld, Vieh oder Land an geistliche Führer zu verschenken. Dadurch erhoffen sich die Menschen, die Gunst Gottes zu gewinnen. In seltenen Fällen übergeben Eltern aber auch ihre Kinder an Kleriker.
Vater des Mädchens wurde ebenfalls festgenommen
Die Eltern des sechsjährigen Mädchens bestreiten jedoch Karims Darstellung. Ihren Angaben zufolge soll er das Kind entführt haben. "Der Mann sagte aus, dass die Mutter und der Vater des Mädchens die Hochzeit abgesegnet haben", sagte der stellvertretende Polizeichef von Ghor laut "Radio Free Europe". "Wir haben mit den Eltern gesprochen und sie bestreiten, bei der Hochzeit dabei gewesen zu sein."
Der Polizeichef der Provinz Ghor erzählte der US-Zeitung "Washington Post" jedoch, dass die Eltern vor der Hochzeit von Karim Geld und Lebensmittel erhalten haben. Um ihn zu befragen, sei nun auch der Vater des Mädchens festgenommen worden.
Wie eine medizinische Untersuchung gezeigt hat, wurde das Kind zumindest physisch nicht misshandelt. Doch sie steht offenbar unter Schock. "Das Mädchen spricht nicht. Sie wiederholt immer nur: 'Ich habe Angst vor diesem Mann'", sagte die Leiterin der Frauenabteilung von Ghor, Masooma Anwar, dem britischen "Independent".
Kinderehen in Afghanistan weit verbreitet
Nach Informationen der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission steigt in dem Land die Zahl von Kinderehen stark an. "In einigen Regionen verheiraten die Familien ihre Töchter in einem sehr frühen Alter, um sie loszuwerden", sagte die AIHRC-Leiterin Sima Samar gegenüber "Radio Free Europe".
Nach Angaben der Organisation Save the Children wurden in Afghanistan 15 Prozent der unter 50-jährigen Frauen noch vor ihrem 15. Geburtstag verheiratet.