Im Koblenzer Al-Kaida-Prozess hat einer der beiden Angeklagten vor dem Oberlandesgericht überraschend die Beteiligung an einem Taliban-Angriff auf afghanische Soldaten eingeräumt. Bei dem Anschlag 2006 habe er auch selbst geschossen, sagte der 32-jährige Türke Ömer Ö. aus Sindelfingen (Baden-Württemberg) am Montag vor dem Staatsschutzsenat. Ob er dabei auch Soldaten getötet habe, könne er nicht sagen. Zuvor hatte er gestanden, im gleichen Jahr in zwei Terrorlagern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ausgebildet worden zu sein. 2008 sei er erneut nach Pakistan gereist.
Eventuell muss sich der 32-Jährige nun auf eine Erweiterung der Anklage oder ein neues Verfahren einstellen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm und dem gleichaltrigen mitangeklagten türkischstämmigen Deutschen Sermet H. bislang vor, Geld und Kampfgerät für Al-Kaida besorgt zu haben. Ö. soll nicht nur in Terrorlagern gewesen sein, sondern auch für die Anwerbung von "Kämpfern" in Deutschland zuständig gewesen sein.
Die beiden Angeklagten, die sich seit Kindertagen kennen, sollen im Auftrag eines Terrorhelfers aus dem pfälzischen Germersheim gehandelt haben, der im Juli vergangenen Jahres zu acht Jahren Haft verurteilt worden war. Bislang hatte Ömer Ö. genauso wie Sermet H. die Vorwürfe zurückgewiesen.
Am Montag vollzog Ö. dann eine Kehrtwende. "Ich will aus freien Stücken viel erzählen", ließ er die Vorsitzende Richterin Angelika Blettner wissen. Zunächst gestand er den Besuch von Terrorlagern und erzählte ausführlich, wie er über Kontaktleute in verschiedenen Ländern den Weg in das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet fand.
Richtig spannend wurde am Nachmittag, als er davon berichtete, sich einer Taliban-Gruppe angeschlossen zu haben. Ob es einen Angriff gegeben habe, wollte die Vorsitzende wissen: "Ja", sagte der Angeklagte knapp. Ob er selbst auch geschossen habe, bejahte er ebenfalls ohne große Umschweife. Zu möglichen Todesopfern blieben seine Angaben aber vage.
Nach einer kurzen Verhandlungspause ergriff Richterin Blettner das Wort und betonte, dass das Gericht "geschockt" sei, und wies Ömer Ö. auf die möglichen Folgen seine Aussage hin. Doch auch die mehrfach angebotene Unterbrechung der Vernehmung schlug der Angeklagte aus - er wollte reden. So entlockte der Senat dem 32-Jährigen, dass er nicht nur 2006 in der Krisenregion gewesen sei, sondern 2008 abermals in Pakistan. Am Dienstag will er sich dazu weiter äußern.