Sie waren tagelang unterwegs, ängstigten die Menschen in Nordrhein-Westfalen: die beiden Schwerkriminellen Michael Heckhoff und Peter Paul Michalski, die aus der Justizvollzugsanstalt in Aachen ausgebrochen waren. Heckhoff hat die Polizei jetzt festgenommen. Er gilt als einer der gefährlichsten Geiselgangster Deutschlands. Sein 46-jähriger Komplize Michalski ist weiter auf der Flucht.
Den Polizeiangaben zufolge hatten Passanten den schwarzen 5er-BMW, den die beiden am Samstag einem Ehepaar in Essen gestohlen hatten, um 10.15 Uhr in einer Seitenstraße in Mülheim bemerkt und die Polizei alarmiert. Heckhoff habe sich in der Nähe des Fahrzeugs aufgehalten und sei kurz nach 11.00 Uhr von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen worden. Weitere Einzelheiten wollte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst nicht mitteilen.
Der Helfer
Heckhoff und Michalski haben es nicht allein aus dem hochgesicherten Gefängnis geschafft. Mit Hilfe von Videoaufnahmen entlarvten die Ermittler einen 40-Jährigen Bediensteten der Justizvollzugsanstalt Aachen. Er soll die Gefangenen "vorsätzlich aus der JVA herausgeschleust und mit schussbereiten Dienstwaffen nebst Munition ausgestattet haben", teilte das Düsseldorfer Justizministerium mit. Ein Richter erließ einen Haftbefehl. Dem Angestellten werden unter anderem Gefangenenbefreiung im Amt, Beihilfe zur Geiselnahme und Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Bislang schweigt der JVA-Mitarbeiter. Er soll in eine Justizvollzugsanstalt außerhalb Nordrhein-Westfalens gebracht werden.
Michalski soll sich am Ort der Festnahme aufhalten
Dem verurteilten Mörder Peter Paul Michalski ist die Polizei offenbar dicht auf den Fersen. Er hält sich nach den Erkenntnissen der Polizei noch immer im Umkreis des Orts auf, wo sein Komplize Michael Heckhoff gefasst worden war, wie Behördensprecher Christoph Gilles der Nachrichtagentur AP sagte.
Michalski wirkt auf einem Polizeifoto hager, klug sieht es aus, wie er in die Kamera blickt. 1,76 Meter groß ist er. Michalski sitzt seit Anfang der 80er Jahre im Knast, mit einer dreijährigen Unterbrechung. Wegen Mordes und schwerer räuberischer Erpressung bekam er lebenslänglich. Diese Taten beging er 1993 bei zwei Raubüberfällen - während eines Hafturlaubs.
Die beiden Kriminellen haben ihr erwachsenes Leben in Zellen und auf Gefängnishöfen verbracht haben. Ihre Verbrechen: Geiselnahme und Mord. Ihre Urteile: lebenslänglich. Ihre Aussichten auf ein normales Leben: nahe null. Akuter Zustand: nichts zu verlieren.
Die JVA-Aachen
Bis Donnerstag war die Bilanz lupenrein. In der Geschichte der Justizvollzugsanstalt Aachen gab es keinen Ausbruch. Ausbruchsicher heißt das im Jargon. Zur kriminellen Prominenz gehörten vorübergehend die Gladbecker Geiselgangster Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski. Bei ihrer Eröffnung 1995 galt das Gefängnis als eines der modernsten in Europa. Von den rund 800 Gefangenen verbüßen 130 Schwerverbrecher lebenslange Haftstrafen und Sicherungsverwahrung. Es gibt Drogenkriminelle und Kinderschänder, deren Unterbringung anderswo nicht sicher scheint.
Die schwere, streng gesicherte Tür an der Pforte führt in einen komplexen Mikrokosmos aus Schleusen, ausbruchsicheren Türen, Schlössern, Kameras und strengen Regeln. Ohne Verbündete ist ein Ausbruch jedoch ein Ding der Unmöglichkeit. Fünf schwere, verschlossene Türen versperren den Weg in die Freiheit. Wahrscheinlich half ein Gefängniswärter Heckhoff und Michalski. In einem solchen Fall bringt das ganze Sicherheitssystem nichts.
"Sie sind brandgefährlich."
"Die beiden sind nicht so nett und sympathisch, wie sie auf den Fahndungsbildern wirken. Sie sind alles andere als nett. Sie sind brandgefährlich", sagte ein Polizeisprecher.
Bei ihrer Flucht hatten die Ausbrecher am Samstag ein Essener Ehepaar längere Zeit in ihrer Gewalt gehabt. Ein Sprecher der Polizei Köln bestätigte am Sonntag entsprechende Informationen der "Bild"-Zeitung. Die Schwerverbrecher seien "mit den beiden unterwegs gewesen", sagte er. Nähere Angaben machte er nicht. Nach dpa-Informationen fuhren die beiden Straftäter am Samstagabend mit dem Ehemann in dessen Wagen in ein Mülheimer Waldgebiet und ließen ihn dort frei.
Nachdem der Mann sich bei der Polizei gemeldet hatte, wurde ein landesweiter Großalarm ausgelöst, der bis Mitternacht dauerte. Dabei wurde auch eine sogenannte Grenzfahndung ausgelöst, um eine Flucht der beiden nach Belgien oder in die Niederlande zu verhindern. Dazu richteten Bundes- und Landespolizei an ausgewählten Stellen Durchfahrtskontrollen ein.