Baden-Württemberg Taximörder flieht aus der Psychiatrie

Er schien weggesperrt zu sein. Für immer. Doch beim Hofgang ist der Taximörder vom Bodensee spurlos verschwunden. Die Polizei hat seine Fußfesseln gefunden. Eine ganze Region ist in Angst.

Die Idylle auf dem Gelände der Psychiatrie trügt. Am Samstag sind im baden-württembergischen Wiesloch viele Besucher unterwegs. Manche halten ein Pläuschchen auf den Bänken, andere genießen ein Stückchen Kuchen. Doch im Hintergrund streifen Polizisten in Zivil herum - sie suchen den Taximörder vom Bodensee. Nach stundenlangen Suchaktionen im Inneren der Klinik sei lediglich die Fußfessel des Mannes gefunden worden Dem 29-Jährigen ist die Flucht aus dem stark gesicherten Teil der Klinik gelungen, wo gefährliche Straftäter einsitzen.

"Also wenn ich fliehen wollte, würde ich mich hinter einem der Gebüsche verstecken", sagt ein Patient, der seinen Namen nicht nennen will. Doch auch dort wird die Polizei mit Spürhunden bei ihrer stundenlangen Suche nicht fündig. Am späten Nachmittag dann die Bestätigung: der Taximörder ist fort, zwei Augenzeuginnen wollen ihn nördlich der 26.000-Einwohner-Stadt gesehen haben.

Am Samstagabend kreist dort ein Hubschrauber über der lieblichen Landschaft - hier fängt das Kraichgau an, und das Gebiet ist stark bewaldet. So scheint es für die Polizei extrem schwierig zu werden, hier einen durchschnittlich großen, schlanken Mann zu finden. "Wir setzen unsere Fahndung fort", heißt es bei der Polizei in Heidelberg nur immer wieder. Am Abend werden weitere Einsatzkräfte zusammengezogen.

Für sieben Studenten, die in dem Gebiet campen und einen Geburtstag feiern, ist die Nachricht entsetzlich. "Wir haben das vorhin alle im Radio gehört. Es ist unglaublich, wie so ein Mann auf freien Fuß kommen kann", sagt der 27-jährige Stefan Schoch. Das Pikante: er uns seine Freunde kommen vom Bodensee, wo der Taximörder sein Unwesen trieb. Sie machen sich auf eine unruhige Nacht gefasst.

Täter leidet unter Persönlichkeitsstörung

Seit Samstagmorgen waren im Verkehrsfunk baden-württembergischer Radiosender zunächst nur Hinweise für die Gegend um Wiesloch gesendet worden, keine Anhalter mitzunehmen. Am Nachmittag erst gehen die Ermittler mit der Flucht an die Öffentlichkeit. Doch nicht bei allen kommt es sofort an - Patienten der Wieslocher Psychiatrie berichten, sie seien jedenfalls nicht informiert worden.

Für eine Stellungnahme ist die Leitung des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden am Samstag zunächst nicht zu erreichen. Der Imageschaden für die nach eigenen Angaben hochmoderne Einrichtung ist schon jetzt enorm. Schließlich ist die Forensik hoch gesichert - mehrere Mauern, Schleusen und andere Maßnahmen sollen verhindern, dass einer der Insassen auch nur an Flucht denken kann.

Verständlicherweise löst die Information auch am Bodensee Besorgnis aus. Taxifahrer in Konstanz sind aber zunächst nicht informiert: "Nein, davon weiß ich nichts", sagt am Samstagnachmittag ein älterer Fahrer am Bahnhof. Er ist selbstständiger Unternehmer mit nur einem Fahrzeug. Auch die drei anderen Fahrer in der Warteschlange haben keinen Funk und konnten deshalb von keiner Zentrale informiert werden. "Wieso kommt so einer in die Psychiatrie, warum nicht ins Gefängnis?", fragt ein anderer Fahrer.

Selbst der Anwalt des Taximörders hatte vor Gericht sinngemäß gesagt: Der kommt nicht mehr raus. Der heute 29-Jährige sorgte am Bodensee damals vor allem in der Taxifahrerszene für Angst und Schrecken. Er hatte am 8. Juni 2010 zunächst eine Taxifahrerin vergewaltigt und mit einem Messer schwer verletzt und am folgenden Tag in Hagnau im Bodenseekreis eine Kollegin erstochen.

Vor Gericht waren dem dort mit Skimütze auftretenden Mann von Gutachtern schwere Persönlichkeitsstörungen, krankhafte Sexualvorstellungen und Nekrophilie (die Neigung, sich an einer Leiche zu befriedigen) bescheinigt worden. Seine Verbrechen hatte er gestanden. Nun hoffen die Ermittler, ihn so schnell wie möglich zu fassen. Bei seiner ersten Festnahme saß er übrigens in einer Gartenlaube im brandenburgischen Senftenberg und schaute entspannt Fußball.

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