Duisburg Die letzte Feier vor dem Tod

  • von Matthias Lauerer
Tommaso-Francesco V. feierte mit Freunden seinen 18.Geburtstag. Wenige Stunden später war er tot. Gestorben ist der junge Italiener im Kugelhagel vor dem Duisburger Hauptbahnhof - und mit ihm fünf seiner Bekannten. Hinter der grausamen Bluttat wird die kalabrische Mafia vermutet.

Schnell ziehen die grauen Spätsommerwolken über den Himmel der Duisburger Innenstadt. Ganz so, als ob sie das Böse der letzten Nacht verjagen wollten. Sechs Menschen verloren vor dem Haus mit der Adresse Mülheimer Straße 46 ihr Leben. Sie wurden in ihren beiden Autos, einem gemieteten, blauen VW-Golf mit Pforzheimer Kennzeichen und einem weißen Opel-Lieferwagen mit Duisburger Kennzeichen kaltblütig niedergemäht. Alleine der dunkle Golf 4 TDI weist am Heck mindestens sieben Einschusslöcher auf.

Alle Opfer sind Italiener

Die sechs Männer waren laut Polizei-Aussagen zwischen 16 und 39 Jahren alt und sind italienischer Abstammung. Zwei von ihnen waren erst vor wenigen Wochen aus Italien nach Deutschland gekommen. Die ersten Mafia-Vermutungen kamen von italienischen Medien. Es könne sich demnach um eine Fehde zwischen italienischen Mafia-Banden gehandelt haben. Clans des kalabrischen Mafia-Syndikats "Ndrangheta" sollen in die Tat verwickelt sein. Mögliches Indiz: Alle Opfer stammen aus Kalabrien.

Beide Autos standen links vor dem italienischen Restaurant "Da Bruno". Die Pizzeria ist heute verwaist und verschlossen. Noch in der vergangenen Nacht hatten hier die Opfer im kleinen Kreis den achtzehnten Geburtstag von Tommaso-Francesco V. gefeiert. Er hatte gerade seine Ausbildung im Restaurant "Da Bruno" begonnen. Um 2.10 Uhr, so berichtet es die Polizei, wurde das Restaurant geschlossen. Die Gruppe löste sich auf. 25 Minuten später waren die sechs Männer, Francesco G., (16), Tommaso-Francesco V., (18), Marco P., (19), Francesco P., (21), Marco M., (25) und Sebastiano S., (38), tot. Zwar hatten die Rettungskräfte bei zwei der Männer noch letzte Lebenszeichen entdeckt. Doch schon bald entwich das Leben ihren zerschossenen Körpern.

Francesco P. und Marco P. waren Brüder, die in Duisburg lebten. Fünf der sechs Getöteten stammen aus einer Familie. Gegen Marco P. lief nach Aussagen der Polizei ein Verfahren wegen Geldfälschung. Alle sechs Männer lebten und arbeiteten im Dunstkreis des Lokals "Da Bruno". Bereits um drei Uhr in der Nacht begann die Mordkommission mit ihren Ermittlungen.

Eine Zeugin hat zwei Männer gesehen

Die Präsenz der Behörden ist groß: Zwölf Polizeiwagen und drei Feuerwehrwagen umrahmen den Ort des Verbrechens. Die Polizei hat das Gebiet großräumig mit rot-weißem Band abgesperrt. Auch die hastig gesprühten gelb-grünen Farbränder auf dem Teer erinnern noch an die Morde der vergangenen Nacht. Eine Zeugin soll um 2.30 Uhr zwei Männer gesehen haben, die sich schnell vom Mord-Ort entfernten.

Dazu kann Gerlinde S. nichts sagen. Sie hat um 2.30 Uhr bereits selig geschlafen. Jetzt steht sie in der Hedwigstraße auf ihrem kleinen Balkon und hängt Wäsche auf. Links am Gitter des Balkons hängt - wie als böse Omen - eine schwarze Plastik-Katze. Ihr Mann hat ihr heute in aller Hergottsfrühe von seinem zufälligen Tat-Wissen erzählt: "Warum klatschen die denn so laut mit den Autotüren?", hatte sich ihr Mann Gerhard S., 65, in der Nacht gewundert. S. war somit zum unfreiwilligen Ohrenzeugen des Massakers geworden.

Italienische Ermittler sollen helfen

Vor dem Tatort auf dem Mittelstreifen steht der Pressesprecher Egbert Doernemann, 44. Er arbeitet sonst in der ruhigeren Kleinstadt Wesel und ist sichtlich vom massiven Presseauftrieb überrascht worden. Doch trotzdem beantwortet er freundlich und gebetsmühlenartig die immer wiederkehrenden Fragen der Journalisten, versucht sogar zu scherzen. "Nein", sagt er "es kommen keine Leichenspürhunde, sondern Sprengstoff-Suchhunde". Der Grund: die Patronenhülsen.

Nachmittags gab die Polizei bekannt, dass die Bilder einer Überwachungskamera nur die zwei davoneilenden mutmaßlichen Täter zeigen, die in Richtung der Danziger Straße davon liefen. Weiterhin fuhren wohl etliche Fahrzeuge zur Mordzeit am Tatort vorbei. Auch Fußgänger sind als Zeugen möglich. Interessant: der Leiter der Mordkommission Sprenger rät zur unbedingten Vorsicht bei den Mutmaßungen, es könne sich um eine Tat der Mafia handeln: "Wir ermitteln in alle Richtungen!" Er sagt es deutlich und mehrfach. Vielleicht auch, weil sich die Journalisten immer wieder daran fest beißen wollen. Doch wie es in der vergangenen Nacht wirklich war, und warum die sechs jungen Männer ihr Leben lassen mussten, das wird sich erst im Laufe der Ermittlungen zeigen. Immerhin erwartet man Kollegen aus Italien, die bei der Aufklärung der Irrsinns-Tat helfen sollen. Die Obduktion der Toten soll noch Tage andauern.

Links neben dem Tatort liegt eine Telekom- Niederlassung, die sich um das Großkunden-Management kümmert. Doch Mitarbeiter gingen dort heute nicht ein- und aus. Nur fünf große, dicht-belaubte Bäume stehen als stumme Zeugen am Tatort.

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