Entführungsopfer Natascha Kampusch kritisiert Behörden

Das Entführungsopfer Natascha Kampusch fordert, dass die österreichischen Behörden bestraft werden, wenn sie wirklich Ermittlungsfehler vertuschen wollten. Ob sie dafür auch vor Gericht gehen würde, hat die 19-Jährige bisher noch nicht entschieden.

Das Entführungsopfer Natascha Kampusch hat nach eigenen Aussagen den Glauben an die österreichische Justiz verloren. "Ich habe meinen Glauben an die Justiz dieses Landes schon irgendwie verloren", sagte die 19-Jährige in einer Dokumentarsendung des ORF-Fernsehens zu den kürzlich bekanntgewordenen Ermittlungspannen im Fall Kampusch. Der Versuch der Behörden, diese Fahndungspannen zu vertuschen, sei "schon sehr arg".

Kampusch, die sich im August 2006 nach acht Jahren aus der Gefangenschaft im Haus ihres Entführers befreien konnte, forderte, die Verantwortlichen für die Fehler zur Verantwortung zu ziehen. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, hatte die Polizei schon kurz nach der Verschleppung von Kampusch eindeutige Hinweise auf deren Entführer, verfolgte die Spur jedoch nicht konsequent. "Es sind schon die Leute zur Verantwortung zu ziehen, die diesem Hinweis nicht nachgegangen sind", forderte die junge Frau. Ob sie eine staatliche Entschädigung einklagen werde, sei noch nicht entschieden. "Es geht ja nicht um Geld, sondern es geht um Gerechtigkeit." Es werde sich "erst herausstellen, ob ich eine Entschädigung bekommen werde oder ob ich eine Klage einbringen werde".

Untersuchungskommission ist umstritten

Zwar hatten Beamte den Entführer Wolfgang Priklopil vernommen, jedoch keine Hausdurchsuchung angeordnet, obwohl er für den Zeitpunkt der Tat kein Alibi hatte. Priklopil hatte Natascha Kampusch in einem Kellerverlies in seiner Garage festgehalten. Nach ihrer Flucht hatte er Selbstmord begangen. In der vergangenen Woche hatte der frühere Chef des österreichischen Bundeskriminalamts, Herwig Haidinger, enthüllt, die Polizei habe wenige Wochen nach der Entführung von Kampusch Hinweise gehabt, die direkt zu dem Entführer geführt hätten. Diese präzisen Hinweise, die von einem Polizisten kamen, wurden jedoch von der Polizei ignoriert. Haidinger hatte im Sommer 2006 das damals von der konservativen Ministerin Liese Prokop geleitete Innenministerium aufgefordert, die gravierenden Ermittlungsfehler zu untersuchen, war dort jedoch abgeblitzt.

Eine inzwischen von deren Nachfolger Günther Platter eingesetzte Untersuchungskommission hat ihre Arbeit aufgenommen, ist jedoch höchst umstritten, weil ihr überwiegend führende Beamte des Innenministeriums angehören. Die Opposition fordert deshalb einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Sie wirft der ÖVP vor, sie habe 2006 die Ermittlungspannen "unter den Tisch kehren" wollen.

In dem ORF-Interview wies Kampusch Fragen des Journalisten zurück, ob sie als Kind von ihrer Mutter und später während der Gefangenschaft auch von ihrem Entführer Wolfgang Priklopil sexuell missbraucht worden sei. "Das ist meine Privatangelegenheit", antwortete sie ruhig, "ich fühle mich nicht dazu verpflichtet, darauf zu antworten." Gleichwohl bestritt sie, jemals als Kind von ihrer Mutter missbraucht worden zu sein.

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