Mehrere Stunden nach Beginn der Geiselnahme im Rathaus von Ingolstadt ist der Dritte Bürgermeister Sepp Mißlbeck (Freie Wähler) frei. Angaben darüber, wie der Kommunalpolitiker gerettet wurde oder ob er freigelassen wurde, machte die Polizei zunächst nicht. In der Gewalt des 24 Jahre alten Geiselnehmers seien weiterhin eine Frau und ein Mann. Beiden gehe es soweit gut, sagte ein Polizeisprecher.
Bei der Frau soll es sich um die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung handeln, die seit längerer Zeit von dem 24-Jährigen verfolgt wird. Der Geiselnehmer ist nach Angaben der Einsatzkräfte in der Vergangenheit als Stalker aufgetreten und hat im Rathaus deswegen Hausverbot.
Auch am Nachmittag war das Rathaus weiter von Polizisten abgeriegelt, mehr als 200 Beamte waren im Einsatz. Ein Spezialeinsatzkommando bereitete sich auf einen möglichen Einsatz vor. Die Freilassung des Bürgermeisters war laut Polizei das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Beamten und dem Geiselnehmer.
Täter soll eine der Geiseln gestalkt haben
Der Ingolstädter Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) sagte über das Motiv des Geiselnehmers: "Er möchte, dass wir einen Bescheid aufheben." Um welchen Bescheid es gehe, sei bisher nicht bekannt. Möglicherweise handele es sich um das Hausverbot für die Rathäuser der Stadt, das gegen den Täter erlassen wurde.
Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei der Pistole des Täters um eine scharfe Waffe handelt. Es gebe regelmäßige Gespräche des Krisenstabes mit dem Mann. "Er lässt zu, dass man immer wieder Kontakt zu ihm aufnimmt", sagte ein Polizeisprecher . Der 24-Jährige steht laut Polizei "ganz erheblich unter psychischem Druck". Der Geiselnehmer hatte zunächst keine Forderungen gestellt. Zuletzt seien ihm aber Tabletten ins Rathaus gebracht worden. Zudem habe der Mann inzwischen Essen verlangt. Es gebe regelmäßigen Kontakt des Krisenstabes zu dem Mann.
"Der Begriff Stalker erscheint mir etwas verharmlosend, weil er doch eine ganze Liste von Vorstrafen hat, die weit über das hinausgeht, was man als Stalking bezeichnet", sagte Oberbürgermeister Lehmann über den 24-Jährigen. Er sei wegen Körperverletzung und Bedrohungsdelikten bekannt.
Merkel sagt Wahlkampfauftritt in Ingolstadt ab
Die ortsansässige Tageszeitung "Donaukurier" berichtete, der junge Mann sei Ende Juli zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden ist. Er habe im vergangenen Jahr der 25-jährigen Rathausangestellten nachgestellt. Diese habe zuvor eine Unterlassungsverfügung gegen den Mann erwirkt, der sich in psychiatrischer Behandlung befinde.
Ein Wahlkampfauftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) direkt vor dem Rathaus wurde wegen der Geiselnahme abgesagt. Die CDU-Chefin sollte um 17 Uhr zusammen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) direkt auf dem seit dem Morgen weiträumig abgesperrten Rathausplatz auftreten. Einen Zusammenhang zwischen dem geplanten Merkel-Besuch und der Geiselnahme sieht die Polizei nicht. "Ich denke, dass das nicht das Motiv sein dürfte", sagte ein Sprecher.
Der Geiselnehmer war am Montagmorgen kurz vor 9 Uhr in das Alte Rathaus der oberbayerischen Stadt gegangen und hatte die Geiseln genommen. Derzeit werde versucht, die Geiselnahme unblutig zu beenden, teilte die Polizei mit.
"Wir alle hoffen und bangen, dass diese Geiselnahme glimpflich ausgeht", schrieb die in Ingolstadt wohnende bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) auf Facebook.