Gerichtsurteile zur Sicherungsverwahrung Vier Vergewaltiger auf freiem Fuß

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat konkrete Folgen für die deutsche Justiz: Zwei Gerichte lassen insgesamt vier Sexualstraftäter frei - mindestens zwei von ihnen gelten als gefährlich.

Auch für gefährlich geltende Sexualstraftäter darf eine Sicherungsverwahrung nicht nachträglich verlängert werden: Dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember hat konkrete Auswirkungen auf die deutsche Justiz. Am Donnerstag ließen gleich zwei deutsche Gerichte Männer frei, die bereits länger als zehn Jahre wegen schwerer Sexualdelikte nachträglich in Sicherungsverwahrung saßen.

Staatsanwalt: Männer sind noch gefährlich

So entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, dass zwei als gefährlich eingestufte Vergewaltiger auf freien Fuß zu setzen sind. Die beiden heute 70 und 66 Jahre alten Straftäter saßen seit 1998 in Sicherungsverwahrung.

Ob die Täter noch am Tag des Urteils die Justizvollzugsanstalt Lübeck verlassen würden, ist noch unklar. Nach Ansicht des zuständigen Generalstaatsanwalts geht von den beiden Männern aber weiter Gefahr aus. Sie stehen künftig unter Führungsaufsicht.

Zweites Urteil in Karlsruhe

Ein ähnliches Urteil fällte das Oberlandesgericht Karlsruhe. Auch hier werden zwei wegen Vergewaltigung und Körperverletzung verurteilte Männer entlassen und unter Führungsaufsicht gestellt. Einer der Straftäter befand sich seit 16 Jahren, der andere seit 22 Jahren in Sicherungsverwahrung.

Die beiden waren 1981 und 1984 zu Haftstrafen von sechs Jahren beziehungsweise sieben Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Zudem hatte das Gericht eine anschließende zehnjährige Sicherungsverwahrung angeordnet. Nachdem diese Frist 1981 vom Gesetzgeber aufgehoben worden war, wurde ihre Sicherungsverwahrung auf unbestimmte Zeit verlängert.

Justizministerin für Reform der Sicherungsverwahrung

Hintergrund für die jüngsten Rechtssprüche ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009: Das Straßburger Richter hatten entschieden, dass Deutschland mit der rückwirkenden Sicherungsverwahrung eines Gewaltverbrechers gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.

Unterdessen kündigte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) an, trotz scharfer Kritik der Union an der Reform der Sicherungsverwahrung festzuhalten. Nötig seien Konzepte, die Bestand hätten, sagte sie im Deutschlandfunk. Die Ministerin strebt an, die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die weit nach einem Urteil verhängt werden kann, abzuschaffen.

DPA
fw/DPA/AFP

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