Brille, kurze, braune Haare, kompakte Figur: Wie ein echter Herzensbrecher sieht der 21-jährige Angeklagte im Loverboy-Prozess am Stuttgarter Landgericht nicht aus. Trotzdem soll er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft drei junge Frauen aus Deutschland und der Schweiz mit falschen Versprechungen in die Prostitution gedrängt haben. Erst soll er ihnen die große Liebe, dann Geldprobleme vorgespielt haben.
Beim Prozessauftakt am Mittwoch macht der Mann im Gerichtssaal keine Aussage zu den Vorwürfen. Er wirkt zurückhaltend. Wenn er spricht, dann leise. Nach Ansicht des Staatsanwaltes steht er der Rockergruppe United Tribuns nahe. Mit dem jungen Mann sind zwei Prostituierte, 25 und 27 Jahre alt, angeklagt, die ihm geholfen haben sollen.
"Loverboy"-Masche ist klassische Methode
Die Opfer sollen unter Druck gesetzt, bedroht oder geschlagen worden sein. Die Frauen im Alter von heute 19 bis 21 Jahren sollen unter anderem in Darmstadt, Saarbrücken und Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) in Bordellen gearbeitet haben.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft drohen dem Trio langjährige Haftstrafen wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der schweren sexuellen Ausbeutung und der Zuhälterei. Eine Sprecherin nennt die Loverboy-Masche "eine klassische Nummer". Eine Sprecherin des Landeskriminalamtes sagt: "Unterm Strich geht es darum, die Mädchen in eine psychische Abhängigkeit zu bringen und den Loverboy aus seiner angeblichen Notsituation zu holen, um die große Liebe mit dem Mann zu leben."
Der Angeklagte soll unter anderem eine heute 21-Jährige aus der Schweiz Anfang 2014 über eine Single-Börse im Internet kontaktiert und nach Bosnien-Herzegowina gelockt haben. Dort spielte er ihr laut Anklage die große Liebe vor. Anschließend habe sie sich seinen Namen auf die Brust tätowieren lassen müssen. Dies gelte bei den United Tribuns als Zeichen dafür, dass sie nun ihm gehöre, sagt Staatsanwalt Peter Holzwarth.
Stuttgarts Roltlichtszene in den Zuschauerreihen
Die Zuschauerreihen sind voll. Stuttgarts Rotlichtszene ist mit Bordellbetreibern aus dem Leonhardsviertel der Innenstadt vertreten. Die United Tribuns haben in den vergangenen Monaten zudem mit ihrem Kampf gegen die Straßengang Stuttgarter Kurden für Aufsehen gesorgt.
Der Angeklagte soll das erste Opfer zwei Mal geschlagen haben, davon einmal mit einem Gürtel. Die Frau "war danach derart eingeschüchtert, dass sie es nicht wagte, die Prostitution aufzugeben", sagt Holzwarth.
Auch zwei jungen Frau aus Baden-Württemberg soll der Angeklagte Gefühle vorgespielt und um Geld aus der Prostitution betrogen haben. Einer nahm er Einnahmen von rund 5000 Euro ab. Der Onkel des Angeklagten sei Mitglied der United Tribuns und habe der Frau gedroht, "ihr alle Knochen zu brechen", so Staatsanwalt Holzwarth.
Die drei Angeklagten, die im November 2014 bei einer Großrazzia in einem Bordell in Leinfelden-Echterdingen festgenommen wurden, haben bisher nach Angaben des Staatsanwalts nicht gestanden. Nach weniger als einer Stunde wurde der Prozess am Mittwoch vertagt. Die Richterin forderte Ankläger und Verteidigung auf, miteinander zu verhandeln: Sollten die Angeklagten Geständnisse ablegen, könnte das Strafmaß geringer ausfallen.
Der Prozess wird am 10. Juli fortgesetzt. Aktuell hat das Gericht 17 weitere Verhandlungstage angesetzt.