Kampusch-Betreuerin TV-Auftritt eine "Grenzwanderung"

Kam das Interview zu früh? Und war es überhaupt richtig vor die Kamera zu treten? Noch Tage danach diskutieren Experten gespalten über den TV-Auftritt von Natascha Kampusch. Jetzt meldet sich die Betreuerin zu Wort.

Das spektakuläre TV-Interview mit Entführungsopfer Natascha Kampusch war nach Meinung ihrer Betreuerin eine "Grenzwanderung". "Es hätte viel schief gehen können", sagte die Wiener Jugendanwältin Monika Pinterits bei der Aufzeichnung zur ARD-Talkshow "Beckmann". "Das Interview war ihr Wunsch, autonom erklären zu können, was sie möchte." Die 18-Jährige sei acht Jahre lang fremdbestimmt gewesen, deswegen sei es wichtig, dass sie nun ihre eigenen Entscheidungen treffe, meinte Pinterits, die zu Kampuschs engstem Betreuerteam gehört.

Natürlich benötige die junge Frau weiterhin psychologische Betreuung. Kampusch sei eine sehr komplexe Person. "Auf der einen Seite ist sie die starke und eloquente junge Frau, und auf der anderen Seite wissen wir alle nicht, was dahinter steckt, welche Ängste und Gewalt sie erleben musste", erläuterte die Anwältin. "Ich denke, es wird noch viel, viel mehr in ihr drinnen stecken, was sie sich mit der Zeit wird anschauen müssen." Kampusch habe, um überleben zu können, eine ganz starke Persönlichkeit werden müssen. "Sie hat sich versprochen, dass sie sich retten wird." Die Stärke der 18- Jährigen sei ein gewisser Panzer. "Dahinter schaut es ganz anders aus."

Rekordeinschaltquoten

Pinterits warnte jedoch vor einer Fehleinschätzung. "Ich sehe eine Gefahr darin, wenn die Öffentlichkeit jetzt sagt, sie ist so toll. Ich fürchte, dass sie zu einer Legende wird." Das Fernsehinterview hatte Rekordeinschaltquoten erzielt und heftige Debatten ausgelöst. Experten hatten das TV-Gespräch als "verfrüht" kritisiert.

Die Berichte über ihren ersten großen Auftritt in der Öffentlichkeit hat Kampusch, die acht Jahre von ihrem Entführer in Wien festgehalten und am 23. August geflohen war, nach Angaben ihrer Betreuerin sehr genau verfolgt. "Sie ist sehr berührt, dass die Öffentlichkeit so viel Interesse hat", berichtete Pinterits. Der Grat zwischen Interesse und Voyeurismus sei jedoch sehr schmal. "Es wird auch sicher Klagen geben, weil massive Einbrüche in ihre Persönlichkeitsrechte passiert sind", kündigte sie an.

"Ich wünsche mir, dass sie jetzt in Frieden gelassen wird"

Die Jugendanwältin appellierte: "Ich wünsche mir, dass sie jetzt in Frieden gelassen wird. Ich nehme an, sie wird sowieso irgendwann an die Öffentlichkeit gehen. Wenn es stimmt, dass sie eine Stiftung gründen will, möchte sie eher eine öffentliche Person werden." Kampusch war am 2. März 1998 von Wolfgang Priklopil in Strasshof bei Wien entführt worden. Nachdem ihr am 23. August die Flucht gelungen war, hatte ihr Kidnapper sich noch am selben Tag das Leben genommen. Er wurde am Freitag auf einem geheim gehaltenen Friedhof südlich von Wien anonym beerdigt.

DPA
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