Kriminalität "Disco-Mörder" widerruft Geständnis

Er soll fünf Frauen in den achtziger Jahren ermordet haben. Jetzt steht der "Disco-Mörder" von Aachen vor Gericht. Sein anfängliches Geständnis widerrief der 51-Jährige zwar - die Hoffnungen der Angehörigen seiner Opfer sind jedoch groß, durch eine Aufklärung des Falls endlich "Ruhe zu finden".

Es war eine schreckliche und bedrückende Mordserie an fünf jungen Anhalterinnen. Zwischen 1983 und 1990 hatten die "Anhalter-Morde" die Aachener Region in Angst und Schrecken versetzt. Gemessen an diesen aufwühlenden Jahren schien die Atmosphäre im Aachener Schwurgerichtssaal befremdlich nüchtern. Wie es allerdings in den anwesenden Angehörigen der Opfer aussah, konnte niemand ermessen. Nach vielen Jahren der Trauer, Ungewissheit und der Wut saßen sie plötzlich dem Mann gegenüber, der ihre Mutter, Schwester oder Tochter umgebracht haben soll.

Seit Mittwoch steht der mutmaßliche "Disco- und Anhalter-Mörder" wegen fünffachen Mordes vor dem Aachener Landgericht. Die Opfer waren 15, 17, 18 und 30 Jahre alt. Drei von ihnen soll er vorher vergewaltigt haben. Eine der Vergewaltigungen ist inzwischen verjährt.

Robert Neumann verlor damals seine Mutter. Die 30-Jährige war 1990 das letzte Opfer des "Anhalter-Mörders". Elf Jahre war Neumann alt, als seine Mutter erdrosselt wurde. In dem Prozess tritt er als Nebenkläger auf. Nach 18 Jahren will er mit dem brutalen Verlust der Mutter abschließen können. "Ich bin hier, um Ruhe zu finden", sagt er. Das ist ihm mehr wert als sein Job. Als der Familienvater bei seinem Arbeitgeber um freie Tage bat, um dem Prozess zu folgen, wurde ihm gekündigt.

Erwischt bei Schrottdiebstahl

Neumann hatte - wie so viele andere auch - nicht mehr daran geglaubt, dass der Mörder je noch gefunden werden würde. Dann ging der Angeklagte im vergangenen Sommer der Polizei zufällig ins Netz. Beamte erwischten den Versicherungskaufmann bei einem Schrottdiebstahl. Freiwillig gab er eine Speichelprobe ab, die mit dem genetischen Fingerabdruck einer Täterspur übereinstimmte.

Dietmar Sehl ist wegen seiner damals 18-jährigen Schwester gekommen, die vor 25 Jahren ermordet wurde. Der Bruder selbst will sich nicht äußern, sein Anwalt übernimmt das für ihn. "Das ist lange her. Die Familie hat sich bemüht, das zu verarbeiten." Zwei gefasst wirkende ältere Herren sind ebenfalls als Nebenkläger da. Die Mutter eines weiteren Opfers ist zwar Nebenklägerin, aber nicht im Gerichtssaal.

Keine Spur von Scheu beim Angeklagten

Der Angeklagte lässt sich äußerlich durch nichts beirren. Der große, schwergewichtige Mann mit gepflegtem Äußeren nimmt im Blitzlichtgewitter der Fotografen Platz. Minutenlang schaut er mit sicherem Blick in die Kameras. Keine Spur von Scheu oder Unsicherheit. An diesem ersten von 13 Prozesstagen macht der Vater eines achtjährigen Jungen keinerlei Angaben - nicht einmal, wie es sonst üblich ist - zu seiner Person. Er schweigt.

In Vernehmungen hatte er die Taten gestanden. Zum Prozessauftakt verliest der Vorsitzende Richter Gerd Nohl einen Brief des Angeklagten, in dem er mit nur einer Zeile sein Geständnis widerrief. "Ich habe mit den Anklagevorwürfen nichts zu tun." Der Anwalt des Angeklagten, Rainer Dietz, kündigt an, dass sein Mandant an allen Tagen schweigen werde.

Staatsanwalt Ralf Bücken skizziert die fünf Morde, die alle nach ähnlichem Muster abliefen: Der Täter war im Auto auf der Suche nach Opfern. Die jungen Anhalterinnen kamen von einem Freund oder aus der Disco und suchten eine Mitfahrgelegenheit. Ahnungslos stiegen sie zu dem Mörder ins Auto.

DPA
DPA

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos