Misshandlungsverdacht "Rau ja, aber nicht in den Kot gedrückt"

Die Vorwürfe sind erschütternd: Eltern sollen ihre acht Kinder eingesperrt, geprügelt und erniedrigt haben. Dem Paar aus Bayern wurden die Kinder abgenommen. Der Anwalt sagte zu stern.de: In der Familie gehe es manchmal zwar "etwas rauer" zu - in den Kot gedrückt wurden die Kinder jedoch nie.

Das Jugendamt im niederbayerischen Kelheim hat acht von ihren Eltern offenbar misshandelte Kinder in Obhut genommen. "Der zuständige Jugendrichter ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Kinder akut gefährdet waren", sagte Amtsgerichtssprecher Clemens Prokop und bestätigte damit einen Bericht der "Mittelbayerischen Zeitung". Am 12. November habe das Jugendamt einen Antrag auf Entzug der Aufenthaltsbestimmung gestellt, am folgenden Tag sei den Eltern aus Ihrlerstein das Sorgerecht entzogen worden, sagte der Sprecher zu stern.de.

Anwalt: Eltern weisen Anschuldigungen von sich

Janzen sagte dem Blatt, es gebe Hinweise, dass die Kinder im Alter zwischen neun Monaten und elf Jahren geschlagen und eingesperrt worden seien. Die älteren Kinder hätten sich selbst an Betreuer gewandt und unabhängig voneinander berichtet, sie seien etwa mit einem Kochlöffel geschlagen worden, bis sie bluteten. Zudem seien sie in ihren Zimmern eingesperrt worden. "Weil sie nicht rauskamen, mussten sie auch die Notdurft dort verrichten", sagte Janzen der Zeitung. Zwei der Kinder seien von ihren Eltern in ihren eigenen Kot oder den der Geschwister gedrückt worden. Er gibt Aussagen der älteren Kinder wieder: Schläge selbst für das zehn Monate alte Baby, "Arrest" und "Disziplinierungsmaßnahmen" wie Köpfe und Haare in den Kot tunken. "Bei einem Mädchen wurde an seiner Schule festgestellt, dass es einnässt. Die Eltern haben sich nicht darum gekümmert, wie wunde Stellen gezeigt haben."

Vater und Mutter bestreiten die Vorwürfe, sagte der Anwalt der Familie, Thorsten Berg, zu stern.de. Die Eltern hätten zwar eingeräumt, dass es in der Familie manchmal "etwas rauer" zugehen würde und es hin und wieder "einen Klapps auf das Hinterteil" gegeben hätte. Auch hätten die Eltern abends die Türen der drei Kinderzimmer zeitweise zugesperrt, um den teilweise sehr unruhigen Kindern "das Einschlafen zu erleichtern", sagte der Anwalt. Diese Maßnahmen seien jedoch angesichts der großen Zahl der Kinder nachvollziehbar. Der Anwalt, der die Eltern als durchaus glaubhaft beschrieb, versicherte, dass die Kinder jedoch nicht misshandelt worden seien. Auch hätten die Kinder ihre Notdurft nicht im Zimmer verrichten müssen. Die Entscheidung des Jugendrichters, den Eltern das Sorgerecht vorläufig zu entziehen, sei jedoch angesichts der Vorwürfe nachvollziehbar, sagte Berg. Trotzdem habe man dagegen Beschwerde eingelegt. Darüber muss nun das Oberlandesgericht Nürnberg entscheiden.

Sohn lebte in Heim

Die fünf ältesten Kinder stammen aus der ersten Ehe der Mutter. Dazu gehört auch der einzige Sohn, der sei Herbst 2006 in einem Jugendheim lebt, da er verhaltensauffällig gewesen sei, sagte Anwalt Berg. Die Vorwürfe gegen die Eltern seien von ihm und einer seiner Schwester, die ebenfalls aus der ersten Ehe der Mutter stammt, erhoben worden. Möglicherweise gebe es Spannungen zwischen diesen beiden und ihrem Stiefvater, so der Anwalt. Dies könne ein Grund für die Anschuldigungen sein. Trotzdem könnten sich die Eltern diese Vorwürfe nicht erklären. Nun solle ein Glaubwürdigkeitsgutachten der Kinder angefertigt werden.

Heute gehe es den Kinder körperlich gut, sagte Amtsgerichtssprecher Clemens Prokop zu stern.de. Es gebe keine Anzeichen, dass die Kinder unterernährt waren. Sechs der Kinder wollten nun auch zu ihren Eltern zurück, sagte Anwalt Berg. Alle Kinder werden sich am Samstag in Regensburg erstmals seit dem 12. November wieder sehen. Die Eltern werden allerdings nicht dabei sein. Ihnen ist zwei Mal wöchentlich telefonischer Kontakt erlaubt.

Das Jugendamt wollte sich aus Datenschutzgründen nicht zu dem Fall äußern. Die Behörde hat die Kinder dem Bericht zufolge in einem SOS-Kinderdorf, einem Heim und bei Pflegeeltern untergebracht. Auch die Leitung des Heimes in Regensburg wollte sich nicht zu dem Fall äußern. Seit Mitte November ermittelt die Kripo Landshut wegen des Verdachtes der Misshandlung von Schutzbefohlenen gegen die beiden Eltern. Man habe einige der Kinder schon zu dem Fall befragt, sagte ein Sprecher zu stern.de. Die "Mittelbayerische Zeitung" hatte berichtet, dass der Junge die Vorwürfe gegen seine Eltern bei der Vernehmung wiederholt habe. Dies wollte der Sprecher nicht kommentieren. Auch zu dem Inhalt der Aussage könne er nichts sagen. Die Ermittlungen werden voraussichtlich noch einige Tage dauern, sagte er. Da kein Haftgrund gegen die Eltern vorliege, sie keine Untersuchungshaft beantragt worden.

Mitarbeiter des Jugendamtes seien nach Angaben der Kinder unangemeldet bei der Familie erschienen, sagte Richter Janzen der Zeitung. "Tatsächlich waren Kinder eingesperrt. Die Zustände wurden vom Jugendamt als desolat beschrieben." Daraufhin seien alle Kinder mitgenommen worden. "Für mich sind gravierende Anhaltspunkte für eine Kindeswohl-Gefährdung gegeben", wurde Janzen zitiert. Da die strafrechtlichen Ermittlungen noch laufen und es sich momentan noch um einen rein familienrechtlichen fall handele, seien die Eltern nach Auskunft des Gerichtes auf freiem Fuß.

Der Bürgermeister der 4.300 Einwohner zählenden Gemeinde Ihrlerstein, Hans Schlamminger, sagte der Nachrichtenagentur AP, von Vorwürfen über schwere Misshandlungen in der Familie sei ihm nichts bekannt gewesen. Zwei der Kinder seien bis zum Einschreiten des Jugendamtes Mitte November in dem Ort zur Schule und zur Ganztagesbetreuung gegangen. Diese sei vom Jugendamt bezahlt worden. Er selbst habe den Vater bei Versammlungen zur Ganztagesbetreuung gesehen, sagte der Bürgermeister.

Nachbarn der Familie zeigten sich erschüttert. "Wir haben uns öfter gerührt. Die Kinder bekam man nie zu Gesicht, sie waren weggesperrt. Selbst im Sommer sah man die Kleinen nie draußen", erzählt eine Nachbarin der "Mittelbayerischen Zeitung. Auch unbeaufsichtigt wären sie gewesen, "weil die Eltern bei Pokerturnieren unterwegs waren". Einer, der den Vater kennt, sagt: "Er ist eigentlich ein umgänglicher Typ." Ein weiterer Nachbar sagt: "Die Kinder sind arme Deifl. Jeder ist dafür, dass Kinder bei ihren Eltern aufwachsen sollen. Aber nicht, wenn die Verhältnisse so sind. Endlich wurde etwas getan."

Malte Arnsperger mit Agenturmaterial

PRODUKTE & TIPPS