Der Europarat hat Untersuchungen der EU-Polizei- und Justizmission im Kosovo (EULEX) zum mutmaßlichen illegalen Organhandel im Kosovo gefordert. EULEX müsse ohne "Rücksicht auf die Funktionen etwaiger Verdächtiger" ermitteln, verlangte die Parlamentarier-Versammlung des Europarats am Dienstag in Straßburg. Zugleich erhob sie schwere Anschuldigungen gegen den Regierungschef des Kosovo, Hashim Thaci.
In einer Entschließung verwies die Versammlung auf Enthüllungen der früheren UN-Chefanklägerin des Kriegsverbrecher-Tribunals für Ex-Jugoslawien in Den Haag, Carla del Ponte. Demnach setzten Milizen der kosovarischen Befreiungsarmee UCK in den Jahren 1998 bis 2000 im Norden der damaligen Unruheprovinz mehrere hundert Gefangene "unmenschlichen Behandlungen" aus. Anschließend seien die Gequälten spurlos verschwunden.
Es gebe "zahlreiche Hinweise" dafür, dass von den Gefangenen Organe entnommen und auf dem internationalen Schwarzmarkt verkauft wurden, heißt es in der Entschließung weiter. Diese Machenschaften seien durch das "Chaos" bis zur Übernahme der Kontrolle durch die UN-Missionen KFOR und MINUK erleichtert worden. Während des bewaffneten Konflikts sei die UCK "de facto" eine Verbündete der NATO-Truppen gewesen.
Anschließend hätten die UN-Missionen eine "pragmatische Politik" bevorzugt und sich dabei weitgehend auf ehemalige UCK-Anführer gestützt, erklärten die Abgeordneten aus den 47 Europaratsländern. Ziel sei es damals gewesen, kurzfristig die Stabilität im Kosovo zu sichern. Dafür seien "wichtige Prinzipien der Justiz" geopfert worden. Die EULEX wiederum habe 2008 eine "schwierige Situation geerbt". Unterlagen seien verschwunden, Zeugen nicht rechtzeitig vernommen worden. Daher bestehe die Gefahr, dass "zahlreiche Verbrechen für immer straffrei bleiben".
Einem bereits im Dezember veröffentlichen Bericht des Schweizer Liberalen und ehemaligen Staatsanwalts Dick Marty zufolge war der erst kürzlich wiedergewählte kosovarische Regierungschef Thaci eng in die illegalen Machenschaften verwickelt. Thaci sei Chef der UCK-Gruppe "Drenica" gewesen, die ihre Aktivitäten im organisierten Verbrechen in der fraglichen Periode "auf phänomenale Weise" verstärkt habe, heißt es in dem Bericht.
Das von Marty für den Europarat verfasste Dokument stützt sich unter anderem auf Geheimdienstunterlagen mehrerer Länder, auch auf einen Bericht des Bundesnachrichtendienstes (BND) vom 22. Februar 2005. Seinen persönlichen und politischen Aufstieg habe Thaci "zweifelsohne" den USA und anderen westlichen Ländern zu verdanken, erklärte Marty. Sie hätten in ihm den "bevorzugten Partner" für ihre Kosovo-Politik gesehen. Diese Unterstützung habe ihm das Gefühl gegeben, "unantastbar" zu sein und ihn zum "plausiblen politischen Führer" des Nachkriegs-Kosovo gemacht.