Warum wurde ein 37-Jähriger am Sonntagabend in Gelsenkirchen von einem Polizisten erschossen? Dieser Frage gehen Polizei und Staatsanwaltschaft nach – am Mittag gaben die Behörden weitere Details zu dem tödlichen Vorfall bekannt.
"Er ereignete sich gegen 19.40 Uhr vor der Polizeiwache Süd in Gelsenkirchen", teilte eine Sprecherin des zuständigen Polizeipräsidiums Münster auf stern-Anfrage mit.
Was geschah vor der Polizeiwache Gelsenkirchen-Süd?
Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler schlug der 36-Jährige zunächst mit "einem Knüppel" auf einen vor der Polizeiwache am Wildenbruchplatz unweit des Hauptbahnhofes abgestellten Streifenwagen ein. Dann soll der Mann mit einem Messer hantiert und zwei 23 und 41 Jahre alte Beamten vor der Wache bedroht haben.
Der 23-Jährige, ein Polizist in der Ausbildung, zog seine Dienstwaffe und schoss insgesamt vier Mal auf den mutmaßlichen Angreifer – dies gelte als "gesicherte Erkenntnis", so die Polizei in einer Mitteilung.
Noch bis in die Nacht waren Ermittler der Spurensicherung vor Ort und sicherten im Scheinwerferlicht Beweise. Unter anderem sei ein Messer gefunden worden.
In den weiteren Ermittlungen gehe es unter anderem um den genauen Ablauf des Geschehens, teilte die Polizei weiter mit. Auch die Hintergründe des mutmaßlichen Angriffs auf die Beamten müssten noch geklärt werden. Ob der 37-Jährige – wie mehrere Medien berichteten – tatsächlich "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") gerufen hat, ist zurzeit noch vollkommen unklar. Die Durchsuchung der Wohnung des Getöteten in Gelsenkirchen habe zunächst keine Hinweise auf einen Terrorhintergrund ergeben. Es seien jedoch noch mehrere Datenträger auszuwerten.
Der Tote sei der Polizei bereits wegen mehrerer Gewaltdelikte bekannt gewesen, zudem liegen den Behörden Hinweise auf eine psychische Erkrankung des geschiedenen 37-jährigen Türken vor.
Die Beamten prüfen routinemäßig auch, ob die Schussabgabe des Polizisten rechtmäßig war. Zur Wahrung der Neutralität habe das Polizeipräsidium Krefeld die entsprechenden Ermittlungen aus Gelsenkirchen übernommen, teilte die Sprecherin dem stern weiter mit. Ihr 23-jähriger Kollege werde seelsorgerisch betreut.
Am Mittag äußerte sich auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) zu dem Vorfall: "Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt von der Tat eines psychisch auffälligen Einzeltäters aus." Der Mann sei zwei Mal als Prüffall auf Islamismus geführt worden – beide Male habe man aber nichts entdeckt. Es gebe keine Hinweise auf seine Einbindung in die islamistische Szene, so Reul.
Nach Angaben der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster erschossen Polizisten in Deutschland 2018 elf Menschen. 2017 waren es 14, 2016 ebenfalls elf. Zahlen für 2019 wurden noch nicht veröffentlicht.
Die Polizei in Münster sucht weiter Zeugen des Vorfalls. Hinweisgeber können sich unter der Telefonnummer (0800) 3040303 an die Ermittler wenden.
Quellen: Polizei Münster (1), Polizei Münster (2), Polizeihochschule Münster, Nachrichtenagenturen DPA und AFP
Hinweis der Redaktion: Der Artikel wurde um die Äußerungen Herbert Reuls ergänzt.