Der einst meist gesuchte Bankräuber Deutschlands steht seit Mittwoch unter scharfer Bewachung in einem Hochsicherheitstrakt in Düsseldorf vor Gericht. Dem 37-jährigen Jan Zocha wird eine Serie von 20 Banküberfällen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zur Last gelegt. Dabei soll er insgesamt eine halbe Million Euro erbeutet haben. Zocha stand lange Zeit als "Nummer Eins" auf der Fahndungsliste des Bundeskriminalamtes. Wegen 15 früherer Überfälle mit der so genannten "MP-Bande" hat er bereits eine neunjährige Jugendstrafe abgesessen.
Angeklagter stellte sich schlafend
Beim Prozessauftakt würdigte der gebürtige Hamburger, den Zeitungen zum "König der Bankräuber" kürten, die Richter keines Blickes. Mehrere Ansprachen der Vorsitzenden Richterin ignorierte Zocha und stellte sich schließlich schlafend. Sein Verteidiger kritisierte die Strafkammer des Landgerichts als befangen. Die Anordnung der höchsten Sicherheitsstufe sei unangemessen und diskriminiere seinen Mandanten. Der 37-jährige Angeklagte gilt als hoch intelligent und spricht sechs Sprachen, darunter Arabisch und Russisch. Gutachter hatten ihm einen Intelligenzquotienten von 135 bescheinigt, der Durchschnitt liegt bei 100. So gelang es Zocha, den bis dahin als fälschungssicher geltenden neuen Personalausweis aus Plastik zu fälschen. Für 3500 Mark (1790 Euro) verriet er den Trick an die Presse.
Schon als 19-Jähriger erbeutete Zocha mit der "MP-Bande" insgesamt 1,8 Millionen Mark. Bei dreisten Raubzügen traten die Gangster in Western-Manier mit Trenchcoats bekleidet und mit Maschinenpistolen bewaffnet auf. Zwei Mal raubte die "MP-Bande" sogar innerhalb weniger Stunden zwei Banken an einem Tag aus. Nach Verbüßung der 1989 verhängten Jugendhaft wurde er rückfällig und in Münster zu weiteren fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Bei einem Hafturlaub setzte er sich ab und war seitdem bundesweit zur Fahndung ausgeschrieben.
Zurück in der Freiheit startete er dann im März 2002, wie es die 70-seitige Anklageschrift auflistet, eine spektakuläre Überfallserie. Dabei soll er im Alleingang auch große Bankfilialen in den Innenstädten von Düsseldorf, Neuss, Münster, Krefeld, Duisburg, Essen, Grevenbroich und Mainz heimgesucht haben. Weil die Polizei dahinter kam, dass der Serienräuber zur Flucht die Bahn bevorzugte, konnte schließlich ein Zivilfahnder Zocha nach einem typischen Coup in Düsseldorf auf dem heimlich überwachten Duisburger Hauptbahnhof festnehmen.
"Cleveres Bürschchen"
Vor einem Jahr sorgte der Bankräuber dann erneut für Furore, als er in einem Gefängniskrankenhaus im sauerländischen Fröndenberg die Gitterstäbe durchsägte und sich an Laken und Gardinen abseilte. Er hatte schon die hohe Außenmauer erklommen, als ihn Gefängniswärter mit Schusswaffen im Anschlag stoppen konnten. Die Wärter fanden später in Zochas Krankenzimmer 23 Diamantfeilen in einem ausgehöhlten Lippenstift. Er sei ein "cleveres Bürschchen", sagte ein leitender Zielfahnder in Düsseldorf. Als ihm eine alte Dame bei einem Überfall ihre Geldbörse entgegenstreckte, soll Zocha mit den Worten "Lass mal Muttchen" dankend abgelehnt haben.
Die Kindheit des Gangsters verlief nicht minder dramatisch. Als Jan Zocha acht Jahre alt war, erschoss sein Vater seine Mutter und beging dann Selbstmord. Von den Stiefeltern gegängelt, landete der damals psychisch auffällige Junge in Internaten und Heimen.
Für den Prozess, der an diesem Donnerstag fortgesetzt wird, sind 24 Verhandlungstage angesetzt und 174 Zeugen geladen.